|
Sobald das Geld im Beutel klingt, die Seele in den Himmel springt", pries der in Magdeburg wirkende Dominika-nermönch Johann Tetzel zwischen 1514 und 1516 seine "seelischen Wertpapiere" an. Auftraggeber war der ständig hoch verschuldete Papst Leo X., der das Geld angeblich nutzen wollte, um die Türkenkriege zu finanzieren, in Wahrheit jedoch um unter anderem auch den Bau der Peterskirche in Rom voranzutreiben. Der Ablaßhandel trieb seltsame Blüten, so konnte man sogar in einigen Gegenden Tote von ihren Sünden freisprechen und für sich selbst auch zukünftige Taten absegnen lassen. Ein Kirchenraub und ein Meineid kostete neun Dukaten, ein begangener Mord acht Dukaten. Die Hälfte davon floß in den Etat des Papstes, die andere Hälfte teilten sich der Hohenzollernprinz Albrecht von Brandenburg und die Ablaßprediger . Albrecht seinerseits brauchte die Ablaßeinkünfte, um seine Schulden gegenüber dem Bankhaus Fugger zu begleichen.
Mißbräuche des Ablasses wurden schließlich zu einem Auslöser der Reformation. Martin Luther war - entgegen landläufiger Meinung - kein Gegner des Ablasses, sah aber im geschäftsmäßigen Handel mit Ablaßbriefen einen krassen Mißbrauch. Am 31. Oktober 1517 wandte er sich schließlich in Briefen an seine kirchlichen Vorgesetzten, den Bischof Hieronymus Schulze von Brandenburg und den Erzbischof Albrecht von Magdeburg. Der Brief an Albrecht ist noch erhalten. Ihm hatte Luther
95 Thesen beigelegt, die kritische Fragen an die herrschende Praxis des Ablaßhandels stellen, ohne den Ablaß insgesamt oder gar die Kirche und ihre Repräsentanten als Vermittler des Heils in Frage zu stellen. Daß Luther die 95 Thesen tatsächlich an die Tür der Kirche zu Wittenberg genagelt hat, ist heute umstritten. Fest steht jedoch, daß es weder in Wittenberg noch an anderer Stelle eine öffentliche Dis-putation über die Thesen gegeben hat.
Außer an die Bischöfe hatte Luther die Thesen nur an ganz wenige vertraute Freunde gesandt. Damit jedoch löste er eine Kettenreaktion aus. In Abschriften gelangten die Thesen unter anderem nach Nürnberg, Leipzig und Basel, wo sie noch im Dezember 1517 gedruckt wurden. Von diesem Zeitpunkt an gilt, was Luther später selbst in die Worte faßte, die Thesen "liefen schier in 14 Tagen durch ganz Deutschland" ...
Der Reformator Martin Luther und selbst Johann Tetzel mit seinem Ablaß-Spruch sind bis heute unvergessen, Albrecht von Brandenburg hingegen kennen meist nur Historiker. Hinzu kommt, daß Luther in die Geschichte als "Gewinner" eingegangen ist, ihm "wurde weltweit Aufmerksamkeit zuteil wie kaum einer anderen Persönlichkeit des 16. Jahrhunderts", so der Albrecht-Kenner und Cranach-Spezialist Prof. Dr. Andreas Tacke im Katalog zur Ausstellung in Halle. Tacke, von dem auch das Konzept dieser Ausstellung stammt, bedauert, daß es zu Albrecht von Brandenburg an grundlegenden Quelleneditionen sowie an vertiefenden Einzelstudien mangele. Die umfangreiche und nicht nur wegen der kostbaren Exponate glänzende Ausstellung "Der Kardinal - Albrecht von Brandenburg, Reichsfürst und Mäzen" schließt diese Lücke zwar nur dürftig, doch zeigt sie, was Albrecht in seinem Amt geleistet und was er für Halle bewirkt hat. "Dank ihm war die Saalestadt zu einer Renaissancemetropole geworden", so Tacke.
Albrecht, der von Historikern als "einer der bedeutendsten Köpfe der frühen Neuzeit" angesehen wird, gab das Geld nicht nur für persönlichen Prunk und die Prachtentfaltung seines Hofs aus, er berief auch den Humanisten Ulrich von Hutten an seinen Hof und korrespondierte mit Erasmus von Rotterdam. Er war maßgeblich an der städtebaulichen Entwicklung der Residenzstadt Halle beteiligt und entfaltete eine Kunstpolitik, durch welche die gefragtesten Künstler seiner Zeit in die Stadt kamen. Lucas Cranach und seine Werkstatt sind hier zuerst zu nennen, aber auch Albrecht Dürer, Sebald Beham und Mathias Grünewald. Rekordverdächtig war auch die Reliquiensammlung Albrechts, sie umfaßte 8100 Partikel und 42 ganze Körper, dargeboten in den kostbarsten Reliquiaren und zusammengefaßt im sogenannten "Halleschen Heiltum". Nur wenige Stücke haben die Wirren der Zeit überstanden. So ist in Halle ein 1513 entstandener juwelenbesetzter Kelch zu sehen, der Überreste des Kreuzes Christi enthalten soll. Er wurde im Dreißigjährigen Krieg von schwedischen Soldaten geraubt und wurde jetzt aus Uppsala nach Halle ausgeliehen. Auch Albrechts Bischofsstab aus dem Jahr 1539 kam aus Schweden nach
Halle zurück; die kostbare, reich verzierte Goldschmiedearbeit befindet sich heute im Staatlichen Geschichtsmuseum Stockholm.
142 Tafeln auf 18 Altären stellten einst in der Stiftskirche, dem heutigen Dom, die Passion Christi dar. In weniger als fünf Jahren schufen Lucas Cranach und seine Werkstatt dieses unvergleichliche Werk. 26 dieser Tafeln sind im Kuppelsaal der Moritzburg nun zu einer Gesamtschau vereint. Besonderes Interesse findet der Magdalenenaltar mit der Darstellung von Christi Himmelfahrt. Was in Halle nicht mehr im Original gezeigt werden kann, wird durch Installationen aus Lichtvitrinen und temporäre Einbauten ersetzt, um dem Besucher eine ungefähre Vorstellung von der Pracht zu geben.
Albrecht von Brandenburg, ein Mann der Kirche, ein Renaissancefürst sondergleichen, ohne den so manches Kunstwerk gar nicht entstanden wäre. Aber: "Es bleibt bei allem großen Mäzenatentum für Wissenschaft und Kunst ein großer Schatten über Albrecht", betont Karl Kardinal Lehmann im Geleitwort zum Katalog. "Die katholische Kirche, die sich zu einer langen Tradition bekennt, darf solche Gestalten wie Albrecht von Brandenburg nicht einfach ausgrenzen oder verdrängen", mahnt Lehmann. "Zu ihrer Überlieferung gehören nicht nur die leuchtenden Vorbilder, die es in hoher Zahl gibt, sondern auch die Schwierigen und die Zweifelhaften. Wir müssen uns zur unverkürzten Geschichte der Kirche bekennen." Die Ausstellung in Halle ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Die Ausstellung "Der Kardinal - Albrecht von Brandenburg. Renaissancefürst und Mäzen" ist in Halle an der Saale in der Moritzburg und im Dom zu sehen, montags bis sonntags von 10 bis 19 Uhr, dienstags bis 20.30 Uhr, Eintritt 7 / 5 Euro, bis 26. November. Die Eintrittskarte berechtigt auch zum freien Eintritt im Lutherhaus in Wittenberg, Collegienstraße 54. Zur Ausstellung ist ein zweibändiger Katalog im Schmuckschuber erschienen, Verlag Schnell + Steiner, Regensburg, zusammen 688 Seiten, über 350 Farbabbildungen, Museumsausgabe 39 Euro, im Buchhandel 49,90 Euro.
Albrecht von Brandenburg: Der Kardinal als Heiliger Erasmus. Als Vorbild für das von Jakob Schlesinger zwischen 1823 und 1855 in Öl auf Holz gemalte Porträt diente die von Mathias Grünewald geschaffene Erasmus-Mauritius-Tafel aus der Alten Pinakothek München. (Museum) |
|