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Der Alte Fritz sprach einst vom Mirakel des Hauses Brandenburg. In der Tat, wie durc ein Wunder wurde Preußen im Siebenjährigen Krieg aus höchster Not gerettet, die Russe zogen sich zurück, der Staat war wieder handlungsfähig. Nun erlebte die überrascht Öffentlichkeit ein neues Mirakel in Potsdam: Das Landgericht sprach de Ex-Sozialstaatssekretär Detlef Affeld (SPD) und zwei seiner Mitarbeiter vom Vorwurf de Haushalts-Untreue frei. Die Urteilsfindung ist in der Tat "wunderlich".
Einerseits bestätigte die Kammer in ihrer Begründung, daß die Ausreichung vo Fördergeldern ohne tatsächlichen Bedarf ein pflichtwidriges Verhalten darstelle und zu einem Vermögensschaden für die öffentliche Hand geführt habe. Andererseits sah de Vorsitzende Richter Jürgen Kunze keine strafbare Schuld. Die Staatsanwaltschaft hatte die drei Angeklagten beschuldigt, zwischen 1992 und 1994 etwa 20 Millionen Mark a Fördermitteln für zwei Modellprojekte veruntreut zu haben. Das Geld war nich fristgerecht innerhalb eines Haushaltsjahres ausgegeben, sondern statt dessen au Treugutkonten verwahrt worden.
In den 57 Verhandlungstagen des Prozesses seit Mai 1998 ging es um die Auszahlung vo Landesmitteln an die "Betreuungsdienste chronisch Kranker" (BcK) in den Jahre 1992 und 1993 sowie um einen Zuschuß für das Gesundheitshaus Ringenwalde im Jahre 1994 Die Gelder seien überwiesen worden, ohne daß ein aktueller Bedarf an Projekten und Gel bestand. Die BcK sollten Nachfolger der DDR-Betreuungseinrichtungen für chronisch Krank wie Rheumatiker und Diabetespatienten werden. 1992 stellte der Landtag zwölf Millione Mark für die Einrichtungen bereit. 1993 sieben Millionen Mark. Von 1994 an sollte die Krankenkasse die Finanzierung der 15 BcK-Projekte übernehmen. Dies geschah aber nicht.
Im September 1994 wurde Staatssekretär Affeld erstmals davon in Kenntnis gesetzt, da die BcK einen beträchtlichen Teil der Fördergelder von 1992 und 1993 immer noch nich ausgegeben hatten. In Absprache mit Finanzminister Klaus-Dieter Kühbacher (SPD) beschlo Affeld, die nicht verbrauchten Gelder auf das Jahr 1995 zu übertragen. Und hier setzte nun die juristischen Überlegungen von Richter Kunze ein. Ausdrücklich machte er darau aufmerksam, daß vor dem Landgericht über die strafrechtliche Bedeutung entschieden werd und nicht über die Frage, die vielleicht ein Verwaltungsgericht bewegt. Wurde gege Verwaltungsrichtlinien verstoßen? Wenn Kunze aber über eine mögliche Straftat urteile solle, dann müsse er prüfen, ob der Angeklagte von der Strafbarkeit der Handlung wußt und ob der Angeklagte mit der Absicht handelte, dem Land zu schaden?
Richter Kunze gab selber die Antworten: Das Verhalten des Angeklagten sei zwa "pflichtwidrig" gewesen, aber die Angeklagten rettete ihre Unwissenheit und ihr fehlende Absicht, dem Land zu schaden. Ein Urteil, das nicht gerade schlüssig ist, abe vielleicht schreckte man in der Kammer vor der letzten Konsequenz zurück: Wollte ma wirklich einen Ex-Staatssekretär verurteilen und damit Sozialministerin Regin Hildebrandt (SPD) und Ministerpräsident Manfred Stolpe den Fehdehandschuh hinwerfen?
Zu dieser Begründung des Urteils muß man zwei Anmerkungen machen:
1. War es wirklich Unwissenheit, bzw. wußte das Trio nicht, daß es etwas Verbotene tat? Eigentlich müßte nach dem Verfahren jedem Teilnehmer klar sein: Affeld und sein Genossen wußten sehr wohl, daß das, was sie taten, illegal war.
2. Mit seiner Urteilsbegründung "Unwissenheit schützt vor Strafe" brich Richter Jürgen Kunze eine jahrtausendalte römisch-europäische Rechtstradition, denn de Grundsatz lautet richtig: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht (Ignorantia iuris nocet).
Ähnlich wie im Falle Affeld wurde auch im Ermittlungsverfahren gegen Brandenburg Gesundheitsministerin Regine Hildebrandt verfahren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sie in derselben Thematik wegen des Verdachts der Veruntreuung vo Haushaltsmitteln.
Regine Hildebrandt verteidigte sich mit der Aussage, daß sie nichts vom Haushaltsrech verstehe und erst recht nicht gewußt habe, daß bestimmte Praktiken strafbar seien. Doc ganz so ahnungslos scheint die Ministerin doch nicht gewesen zu sein. Wie die Berline Tageszeitung "Die Welt" jetzt berichtete, schrieb die Ministerin am 12 September 1994 dem Finanzminister Kühbacher, daß sie gar nicht daran denke, ih Modellprojekt durch Rückforderungen von Haushaltsmitteln gefährden zu lassen. Kühbache bestand jedoch schriftlich auf Rückzahlung.
Warum trotz all dieser Fakten die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Regin Hildebrandt einstellte und das Landgericht ihren Ex-Staatssekretär Affeld freisprach darüber kann man lange rätseln. Dies ist nun auch die Stunde der Opposition CDU-Generalsekretär Thomas Lunacek kritisierte das Urteil und forderte die Staatsanwaltschaft auf, Revision gegen das Urteil einzulegen. André Stephan vo PDS-Landesvorstand übte sich in dunklen Anspielungen. Daß das Verfahren gegen Stolpe Gesundheitsministerin sechs Wochen vor der Landtagswahl eingestellt worden sei, sei woh "ganz zufällig", mutmaßte er und scherzte: "Ganz rechtzeitig ist alle wieder gut." A. Kessler
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