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Bis Ende Juni will die Regierung Raffarin, die zur Zeit an der Seine amtiert, eine Volksabstimmung in Korsika organisieren, damit die Einwohner der "Insel der Schönheit" sich über ein neues Statut der seit zwanzig Jahren von Unruhen gestörten Region entscheiden können.
Das hat wenigstens der konservative Premier in einem Interview verkündet, das die Franzosen fast völlig gleichgültig gelassen hat. Die Möglichkeit, lokale Referenden anzusetzen ist nämlich in der Verfassungsänderung enthalten, die am 17. März in einer ziemlich gespenstigen Atmosphäre durch den französischen Kongreß, das heißt, die Zusammenfügung des Senats und der National en Versammlung, gebilligt wurde.
Die neue Fassung des Grundgesetzes der Fünften Republik wurde so abgeändert, daß sein erstes Kapitel lautet, "die Organisation (Frankreichs) ist dezentralisiert". Obwohl die gebilligte Reform der Verfassung anscheinend auf die vom europäischen Aufbau genötigte Erneuerung des öffentlichen Lebens gerichtet ist, scheint es klar, daß Jean-Pierre Raffarin davon profitieren will, um jetzt wieder Frieden in Korsika zu erreichen. Obwohl Staatschef Jacques Chirac während der Kohabitation mit dem Sozialistenführer Lionel Jospin oft die Korsika betreffenden Pläne seines Regierungschefs kritisiert hatte, gibt es nun den Anschein, daß die an der Macht stehenden Konservativen mit Raffarin und seinem Innenminister Nicolas Sarkozy gegenwärtig alles unternehmen wollen, um das dornenreiche korsische Problem so schell wie möglich zu entschärfen. Jean-Pierre Raffarin, der eine lange Erfahrung als Regionalpolitiker in der Region "Poitou-Charentes" hat, stammt von der "Démocratie libérale", einer der CSU nahestehenden konservativen Gruppierung. Er hat sicherlich viel getan, damit das Dezentralisierungsvorhaben gemäß dem Subsidiaritätsprinzip debattiert und problemlos angenommen wird.
Offensichtlich und abgesehen von insgesamt rein juristischen Begriffen ist nun die französische Regierung am Zug, damit die gebilligte Verfassungsänderung ihre erste Anwendung in Bastia und Ajaccio findet. Laut einer vom Institut Louis Harris durchgeführten Umfrage schätzen die meisten Franzosen, daß die Départements wichtiger als die Regionen für das lokale alltägliche Leben sind.
Das könnte bedeuten, daß die durch einen indirekten Wahlmodus in den Départements gewählten Senatoren in der Zukunft noch eine bedeutendere Rolle spielen könnten, obwohl die Sozialisten, wenn sie in ein paar Jahren an die Macht zurückkehren würden, möglicherweise nach einer Reform des Senats streben könnten; auf jeden Fall wurde der Senat immer von den Rechten beherrscht, so daß die von Raffarin durchgesetzte Verfassungsänderung angenommen werden konnte, während der Ausgang eines für ganz Frankreich veranstalteten Referendums unsicher gewesen wäre. Eine ähnliche Lösung ist für Korsika nicht unwahrscheinlich:
Durch den versammelten Kongreß könnte die Regierung eine durchgreifende Reform des Statuts von Korsika verabschieden lassen, obwohl die Mehrheit der Franzosen, wenn sie gefragt würden, gegen jede Änderung der Bindungen zwischen Korsika und dem Festland wären. Merkwürdigerweise haben im Kongreß zwei sozialistische Abgeordnete, die die korsischen Départements vertreten, für die Vorlage der Regierung votiert, obwohl die Linke in ihrer Gesamtheit sich dagegen ausgegesprochen hat. Insofern ist die Abstimmung dieser beiden Sozialisten, Paul Giacobbi und Simon Renucci, wegweisend für die Hoffnung gewisser Parlamentarier in Bezug auf eine Befriedigung der Lage in Korsika, wie sie von der neuerdings angenommenen Verfassungsänderung herbeigeführt sein könnte.
Trotz allem bleiben die Jacobiner in Frankreich noch im Alarmzustand, wie dies durch das "Nein" der Kommunisten und der Grünen belegt wird.
Die Bedeutsamkeit, die dem Senat in der Durchsetzung des Dezentralisierungsgesetzes gewährt wird, kann den Anhängern eines zentralisierten Frankreichs Rückenwind geben. Man muß die Volksabstimmung in Korsika abwarten, um besser beurteilen zu können, ob die Regierung Raffarin auf Korsika Erfolg haben kann. |
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