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Eine Frage der Ehre

 
     
 
Eigentlich sollte man aufhören, sich über die Entscheidungen des Deutschen Presserates zu wundern, doch einige seiner kürzlich getroffenen Entscheidungen lassen gar keine andere Reaktion zu.

Nachdem im März dieses Jahres der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes in Frankfurt am Main dem Druck- und Verlagshaus Gruner + Jahr untersagt hatte, "wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen, der Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann
habe in seiner Rede vom 3. Oktober 2003, die ,Juden als Tätervolk bezeichnet", wandte sich der Kardinal-von-Galen-Kreis diesbezüglich an den Deutschen Presserat.

Die in Münster ansässige Aktionsgruppe für christlich-konservative Ziele bat den Deutschen Presserat, gegenüber der Illustrierten Stern eine Rüge auszusprechen.

Grund für diese Bitte war der am 13. November 2003 im Stern erschienene Artikel "Lupenreiner Goebbels", in dem die umstrittenen Äußerungen von Martin Hohmann in einen zweifelhaften Zusammenhang gebracht wurden. Der Kardinal-von-Galen-Kreis begründete seine Bitte damit, daß der Stern mit diesem Artikel "einen offensichtlichen Verstoß gegen die Wahrung der Menschenwürde (Pressekodex Ziffer 1)" begangen habe, "zumal der aggressive Vorwurf sogar in der Überschrift erscheint. Darüber hinaus verstößt der Titel gegen Ziffer 2 (Sorgfaltspflicht, Wahrheitsgehalt) sowie gegen Ziffer 9 (Ehrverletzung)."

Fünf Monate später geruhte der Deutsche Presserat, Stellung zu der ihm angetragenen Bitte zu nehmen, die er darin voller Unverständnis ablehnte. So sei die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Verletzung von Ziffer 9 des Pressekodex (Ehrverletzung) nicht vorläge.

"Bei der Überschrift, auf deren Bewertung sich der Presserat bei seiner Prüfung beschränkt hat, handelt es sich nicht um eine unmittelbare Gleichsetzung Martin Hohmanns mit Joseph Goebbels." Vielmehr verwende der Stern den Hinweis als Vergleich der Rhetorik beider Personen und nehme damit eine kommentierende Bewertung vor.

"Darüber hinaus", so der Presserat weiter, "enthält der Beschluß des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 10. März 2004 keine juristische Rehabilitierung von Martin Hohmann im Hinblick auf dessen Rede vom 3. Oktober 2003. Nach den vielfältigen gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Martin Hohmann und der Zeitschrift Stern ist diesem im Ergebnis nicht die Äußerung untersagt, Hohmann habe die Juden als Tätervolk bezeichnet. Die Zeitschrift muß bei einer künftigen Wiederholung lediglich deutlich machen, daß es sich dabei um eine Bewertung der Rede handelt. Nach alledem liegt kein Verstoß gegen die publizistischen Grundsätze des Deutschen Presserates vor, so daß die Kammer die Beschwerde für unbegründet erklärte."

Vielleicht hätte sich der Kardinal-von-Galen-Kreis ja mit dieser Antwort abfinden können, wenn er nicht gewußt hätte, daß der Deutsche Presserat schon bei erheblich geringeren Verstößen von seinem Recht, einen "Hinweis" (Stufe 1) eine "Mißbilligung" (Stufe 2) oder eine "Rüge" (Stufe 3) auszusprechen, Gebrauch gemacht hätte.

So wurde beispielsweise im Jahr 2000 eine Mißbilligung gegenüber einer Lokalzeitung ausgesprochen, weil sie in einem Leserbrief unter der Überschrift "Spendenaffäre" folgende Formulierung zugelassen hatte: "Schon einmal hat ein Bartträger Parteivermögen vereinnahmt. Scheinbar legal - er ließ die Parteien vorher verbieten (22. Juni 1933). Wiederum scheinbar legal (Parteiengesetz) wird diesmal die CDU durch Bundespräsident Thierse geschröpft."

Nach Ansicht des Presserats verletzte dieser Vergleich mit dem namentlich nicht genannten Hitler die Ehre des Bun- destagspräsidenten und damit Ziffer 9 des Pressekodex.

Ohne diese Entscheidung des Deutschen Presserates zu beurteilen, fragt man sich jedoch, woran der Presserat festmacht, wer eine verletzbare Ehre hat und wer nicht. Vielleicht am Parteibuch? E. D.

 
     
     
 
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