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Kunst auf Rezept - ja, gibt’s denn so was? Natürlich wird Kunst heutzutage nicht verordnet, obwohl die Heilwirkung von bestimmten Kunstwerken nicht von der Hand zu weisen ist. Es gibt auch keine Rezepte, wie Kunst „produziert“ werden sollte. „Kunst auf Rezept“ ist schlicht der Titel einer Ausstellung, die derzeit noch bis zum 30. März vom Kunstverein Herford im Daniel-Pöppelmann-Haus in Herford gezeigt wird. In- itiator dieser Wanderausstellung, die zuvor bereits im Museum der Stadt Ratingen zu sehen war, ist der Nervenarzt und Psychoanalytiker Hartmut Kraft aus Köln. Der Kunstfreund, der in Göttingen über das Thema „Das geeignete Krankenzimmerbild - Ergebnis einer Patient enbefragung“ promoviert wurde, bat Künstler aus aller Welt, alte ausgediente Rezeptformulare neu zu beleben und auf ihnen zu zeichnen, zu malen, eben künstlerisch zu wirken. 162 Künstler und Künstlerinnen haben sich schließlich mit über 200 Arbeiten an dieser Aktion beteiligt; selbst der Initiator Kraft war erstaunt ob der Fülle und Vielfalt der Arbeiten, die ihn erreichten. Denn nicht nur flächige Werke wie Zeichnungen, Skizzen, Radierungen flatterten ihm ins Haus, auch Objekte und sogar Videoprojektionen kamen aus den Ateliers der Künstler an den Rhein. - Viel zu schade (und zu selten), dies alles in einer privaten Sammlung zu horten. Mit Hilfe von Sponsoren gelang es Kraft schließlich, eine Ausstellung auf die Beine zu stellen, die nun durch die Republik wandert. Ein Buch zur Ausstellung informiert über die Fülle und Vielfalt der Reaktionen auf eine ungewöhnliche Bitte (Hartmut Kraft, Kunst auf Rezept. Salon Verlag, Köln. 360 Seiten mit 164 ganzseitigen farbigen Abb., geb., 25 E).
Viel Prominenz der heutigen Kunstszene ist der Bitte Krafts nachgekommen. Namen wie Klap-heck, Klauke, Kirkeby, wie Antes, Geiger, Girke, Mattheuer, Spoerri und Uecker sind zu finden. Auch Anatol (K.-H. Herzfeld), der Ostpreuße aus Insterburg, ist in der Sammlung vertreten. Er schickte eine der dreidimensionalen Arbeiten, einen Holzkasten mit einer Figur aus Blei, festgenagelt auf einer Zeichnung, die eine schwangere Frau zeigt. Das Rezept in der Tür des Kästchens trägt die Aufschrift: „Eine Stunde davorsitzen, betrachten, nachdenken über alles. Weitererzählen was war. Tasse Tee oder sonstiges. Alle zwei Tage wann es paßt wiederholen. Professor Herzfeld“. Wie viele der Künstler verschreibt Anatol die Betrachtung seiner Kunst. Was bei ihm noch ein Vergnügen sein mag, ist bei manch anderem allerdings mit argen Schmerzen verbunden. Diese Kunst heilt nun ganz gewiß nicht, gibt aber den einen oder anderen heilsamen Schock und regt zum Nachdenken an über die derzeitige Kunstszene.
Anatol: Holzkasten mit Bleiobjekt, Bleistiftzeichnung und Acrylfarbe auf Leinwand, Originalrezept mit Text (1999)
Foto aus dem besprochenen Band
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