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Als der dänische Thronfolger Prinz Frederik vor kurzem die bürgerliche Mary Donaldson im Dom von Kopenhagen ehelichte, sahen Millionen Fernsehzuschauer dieses romantische Spektakel. Adelige genießen heute ein Sozialprestige wie lange nicht mehr. "Sie sind so harmlos geworden", schrieb Golo Mann, "daß man sie wieder gern zu haben beginnt".
Wie redet man die Chefs deutscher Fürstenhäuser eigentlich an? Königliche Hoheit oder Prinz? Nicht nur diffizile Fragen der Hof-etikett e erklärt dieser schmale, vorzüglich gestaltete Band "Schnellkurs Adel". Kompakt schildert der Historiker Wilfried Rogasch die märchenhafte Welt des deutschen und europäischen Hochadels. Unzählige Presseartikel und Filmberichte belegen die Attraktivität der Schönen und Reichen. "Adeliger Lebensstil" realisiert das oft erträumte Gegenbild zur "bürgerlichen Leistungsgesellschaft".
Dabei existiert der deutsche Adel als ständische Korporation seit 1919 nicht mehr. In Artikel 109 der Weimarer Verfassung wurden Adelsprivilegien offiziell abgeschafft. De facto gibt es Adelige immer noch; allerdings darf heute niemand mehr einen neuen Adelstitel erhalten. Nur wer "uralte Stammbäume" vorweisen kann, gilt als Adeliger. Eben diese Exklusivität erhöht das Prestige des Adels. Heute entscheidet der "Deutsche Adelsrechtsausschuß" darüber, wer seinen Titel zu Recht trägt.
Der europäische Adel ist weltgeschichtlich einmalig; zumindest in dieser Form gab es ihn sonst nirgends. Den Adel konstituierte die Lehnsherrschaft über Land und Leute, verliehen vom König oder Kaiser. Dafür hatten die Adeligen in erster Linie Kriegsdienst zu leisten. Als "exklusive Kaste und privilegierte Elite" war der Adel lange Zeit einer der wichtigsten Träger der Kultur. Adelige gründeten Städte, Universitäten, stifteten Kunstsammlungen, bauten Schlösser. Wegen der vielen königlichen und herzoglichen Residenzstädte weist Deutschland die meisten Theater- und Opernhäuser in ganz Europa auf. Hinter dem Glanz steckt aber auch eine finstere Kehrseite: die wirtschaftliche Ausbeutung der abhängigen Bauern. Adelige "Herren" zahlten keine Steuern und saßen über andere zu Gericht. In Deutschland belegen rund 5.000 Burgen, wo Adelige einst wie Raubvögel das Land kontrollierten.
Aber der Adel grenzte sich nicht nur von anderen Ständen ab: Kaiser, Könige, Herzöge, Markgrafen, Grafen und Freiherren stritten erbittert um Macht und Einfluß. England kennt noch heute fünf Adelsrangordnungen. Die meisten und traditionsreichsten Adelsgeschlechter leben in Deutschland. Als ältestes europäisches Adelsgeschlecht gelten die Welfen, deren schlagwütiger Hauschef Ernst August oft von sich reden macht.
Derzeit gibt es in Deutschland 0,5 Prozent Adelige und 80 Fürstenhäuser. Rogasch stellt die wichtigsten vor, etwa Hohenzollern, Wittelsbacher, Thurn und Taxis. Ebenso erläutert er die Geschichte der größten europäischen Dynastien. Alle sind eng miteinander verwandt.
Grundbesitz bildet nach wie vor die wichtigste ökonomische Basis des Adels, der vor allem in Süddeutschland stark repräsentiert ist. Landschaftspflege, aber auch Wissenschaft und Kunst gehören zu den bevorzugten Arbeitsgebieten deutscher Adeliger. Rolf Helfert
Wilfried Rogasch: "Schnellkurs Adel", Dumont, Köln 2004, 208 Seiten, 14,90 Euro |
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