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Ende des Zentralismus?

 
     
 
Anfang Dezember hat die französische Nationalversammlung in zweiter Lesung den Gesetzentwurf „Über die Zukunft Korsikas“ passieren lassen. Das wurde nur möglich, weil die Kommunisten sich mehrheitlich enthalten haben. Insgesamt haben 267 Abgeordnete für die Annahme des Gesetzes und 234 dagegen votiert. Die Wortführer der liberalen Opposition wie Altpräsident Valéry Giscard d’Estaing oder Edouard Balladur, die bei der ersten Lesung dem Vorhaben der Regierung zugestimmt hatten, enthielten sich ihrer Stimmen. Allein die Sozialist
en und die Grünen votierten massiv für den Entwurf, während die Kommunisten unentschieden blieben.

Die korsische Angelegenheit bringt in der breiten französischen Öffentlichkeit keine außerordentlich emotionalen Reaktionen mit sich. Nur Ereignisse wie im Februar 1998 die Ermordung des Präfekten Claude Erignac durch korsische Nationalisten scheinen den Durchschnittsbürger noch berührt zu haben. Dann kam April 1999 die sogenannte Affäre „des paillotes“ zustande, das heißt, die Sprengung illegal gebauter Strandrestaurants durch Gendarmen, was zur Inhaftierung ihres Chefs, des Präfekten Bernard Bonnet, geführt hatte. Dann, und nur dann, zeigten sich die Hauptmedien Frankreichs daran interessiert, über die Geschehnisse auf „der Insel der Schönheit“ ausführlich zu berichten. Jene Zurückhaltung der französischen Presse, den Leser über die alltägliche Gewalttätigkeit in Korsika zu informieren, kann freilich dadurch erklärt werden, daß die meisten verantwortlichen Chefredakteure der Zeitungen sich nicht eindeutig auf Chirac oder Jospin festlegen wollen, wenn auch die Meinungsmacher an der Seine mehrheitlich von der geistigen Erbschaft der 1968er Unruhen geprägt wurden.

Mit der Annahme des Gesetzes über Korsika, das vor Ende 2001 in Kraft treten soll, wird die Regionalversammlung von Korsika, der ein Liberaler vorsteht, der bevorzugte Gesprächspartner der Regierung werden. Wie die Aussagen der Zeugen beim Prozeß gegen den Präfekten Bonnet es belegt haben, wurde der Innenminister, der eigentlich für die Lage in Bastia oder Ajaccio verantwortlich sein sollte, nicht richtig über die Politik des Regierungschefs informiert. Insofern können die Äußerungen des jetzigen Innenministers Daniel Vaillant vor der Nationalversammlung, wonach eine speziell auf Korsika abzuhaltende Volksabstimmung über die Bindungen zwischen dem Kernland und der Insel verfassungswidrig wäre, relativiert werden. Der Vorsitzende der Regionalversammlung, José Rossi, sowie einige liberale Politiker und die Kommunisten wünschen eine solche Befragung der Einwohner Korsikas. Ohne die Kommunisten kann Lionel Jospin allerdings nicht viel unternehmen. Das Korsika-Dossier bleibt also derzeit völlig offen.

Künftig wird die Regionalversammlung Korsikas gesetzgebende Befugnisse besitzen. Für die Gegner dieser Überführung der gesetzgebenden Macht handelt es sich dabei um eine wahre Sprengung der französischen Einheit. Für die Chiracianer wäre es besser gewesen, die ganze Angelegenheit zurückzustellen, denn „die Bedingungen für den Frieden und den Fortschritt bestehen derzeit nicht“ auf Korsika.

Staatspräsident Jacques Chirac, der oft mit den Grünen zu liebäugeln schien, bewahrte im korsischen Dossier ein vorsichtiges Schweigen, das er möglicherweise während der nächsten Wahlkampagne zu brechen verpflichtet sein wird. Die Verkürzung der Amtszeit des Staatsoberhaupts von sieben auf fünf Jahre, wie sie ihm von seinem sozialistischen Premier auferlegt wurde, wird sicherlich die Rolle des Präsidenten in der Innenpolitik, darunter Korsika, stärken, was die Gaullisten immer haben vermeiden wollen.

 
     
     
 
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