Entscheidendes Detail

Aus meiner Küche klangen abgehackte Laute. Meine Freundin Astrid quälte sich mit einer Konserve, deren Inhalt wir zum Abendessen verspeisen wollten. Ich beschloß, meine Anteilnahme zu bekunden, obwohl ich gerade in der Wohnstube die Zeitung las. Schließlich befand sich in dieser unseligen Büchse auch meine Mahlzeit. „Liebling, kommst du zurecht?“ rief ich hinüber.

Ein paar Sekunden setzte nebenan das Schurren und metallische Klicken aus. Dafür konnte man das stoßweise Atmen besser hören. Ich spitzte die Ohren. Was war mit Astrid? Ob sie auf meinen Rat wartete? Ich lächelte verschmitzt. Dabei stellte ich mir meine Freundin bildhaft vor, wie sie lauschend den Kopf geneigt hielt, um von dem, was ich ihr gleich mitteilen würde, möglichst wenig zu verpassen.

In Gedanken legte ich mir einige leicht verständliche Bemerkungen zurecht. Astrid sollte nicht länger als notwendig ihre Freizeit mit dem Öffnen einer störrischen Konserve verbringen.

„Liebling, hör mir bitte mal zu, ja?“ Ich reckte mich im Sessel. „Falls du gerade versuchst, diese Büchse aufzumachen, möchte ich dir raten, den Öffner rechtwinklig auf die Kante zu setzen. Dadurch erhält das kleine Rädchen genügend Gegendruck. Nun kannst du kräftig auf den Dorn drücken. So ist erstmal ein Loch im Deckel. Und das ist doch ein Fortschritt, nicht wahr?“ Fürs erste genug, sagte ich mir und begann mit der Lektüre der Sportseite.

Nach einer Weile wurde ich hellhörig. Warum antwortete Astrid nicht? Ebenso vermißte ich die typischen Büchsenaufmachgeräusche. Ich legte beunruhigt die Zeitung auf den Couchtisch. „Liebling, stimmt etwas nicht?“

Nichts. Absolute Stille. Ich rief ein zweites und ein drittes Mal. Keine Antwort. Zunehmend wurde ich unruhiger. Das ist nicht fair, ärgerte ich mich. Damit macht man keine Scherze. Es konnte doch sonst was passiert sein. Wie oft las man von ahnungslosen Hausfrauen

, die zuhauf in ihren eigenen Küchen oder in der Küche von jemand anders verunglückten. Vielleicht sogar häufiger als bei Verkehrsunfällen, bei denen Alkohol im Spiel war.

Endlich hielt ich es nicht mehr aus. Ich drehte mich auf dem Sessel, reckte den Hals und sah zur Tür - und hatte des Rätsels Lösung! Irgendwann, als ich in die Zeitung vertieft gewesen war, mußte ein Windstoß leise die Türen zugedrückt haben. Erlöst atmete ich auf. Astrid war also nichts passiert.

Ich wischte mir den nun überflüssigen Angstschweiß von der Stirn, erhob mich und marschierte in die Küche. Jetzt konnte ich meiner Freundin vor Ort erläutern, wie man fachgerecht Konserven entdeckelte. Doch die Küche war leer. Instinktiv spähte ich aus dem geöffneten Fenster. Gerade noch sah ich, wie Astrid ihren Mini bestieg und davonspritzte. Ich stand starr, reglos. Warum fuhr Astrid fort, einfach so und ohne ein Wort?

Die Erklärung fand ich auf einem Zettel neben der umgekippten Konserve: „Habe mich doch für Klaus Jonisch entschieden. Sein Öffner ist eindeutig der bessere.“