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Die Überlebenden der Vertreibung haben die Ohren gespitzt, als Warschaus Ex-Außenminister Bronislaw Geremek vergangenen Montag im Reichstag die Festrede zum offiziellen Holocaust-Gedenken hielt. Was fällt ihm, dem Polen, an jenem Tag über das Leid der Juden, der Russen, seiner Landsleute und vieler anderer hinaus zum Thema Vertreibung der Deutschen ein?
Nicht viel und noch dazu Bedenkliches. Zwar beschwor der verdiente Bürgerrechtler die Notwendigkeit ungeteilten Erinnerns. Doch die deutschen Vertriebenen kommen bei ihm nur in einem schmalen Satz vor. Geremek setzt ihr Leid überdies mit dem „Leid der aus Wilna oder Lemberg Vertriebenen (Polen)“ gleich. Das ist historisch unhaltbar und stößt gefährlich nahe an den Euphemismus „Umsiedlung“, der das Verbrechen jahrzehntelang beschönigen sollte.
Zahllosen Menschen brachte die Zeit vor 57 Jahren den Tag ihrer Wiedergeburt nach den Schrecken der KZ, die Befreiung. Andere, auch Millionen Kinder, Frauen, Greise, aber wurden in die Hölle einer Vertreibungswalze gestoßen, die in der Geschichte keine Entsprechung hat. Geremek warnte vor der „kollektiven Ausklammerung des Gedächtnisses“ - eine berechtigte Mahnung, die allen gilt. Elisa Wachtner
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