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Dieses ist ein Buch von der Art, von der man sich viele wünscht: Ein ehemaliger deutscher Soldat, der den ganzen Zweiten Weltkrieg mitgemacht hat, nach der Auflösung seiner Einheit in Böhmen in die Hände der Tschechen fiel, von denen er an die Sowjetunion ausgeliefert wurde und dann bis 1948 das Martyrium der Kriegsgefangenschaft erlebte, schrieb sich Jahrzehnte später das Erlebte von der Seele. Heraus kam eine Chronik nicht nur seines Lebens, sondern des Lebens vieler Gleichaltriger und ein Stück deutscher Geschichte, deren Darstellung nicht durch die Mühle der politischen Korrektheit gedreht worden ist. Das Buch, wohl zunächst für die Familie verfaßt, hatte ein so lebhaftes Echo, daß es im vorigen Jahr schon in 5. Auflage erschien. Solche Bücher, verfaßt ohne literarischen Ehrgeiz, wohl aber mit Ehrlichkeit und gespickt mit vielen Einzelheiten, bilden das Gegenstück zu den seit Jahrzehnten uns bescherten Kriegsschilderungen aus der Sicht und in der Bewertung der Sieger (zu denen sich inzwischen auch viele Deutsche zählen): Aus den Mosaiksteinen solcher Bücher wird sich eines Tages ein authentisches Geschichtsbild der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zusammensetzen, das hilft, die Zeit so darzustellen, wie sie eigentlich gewesen ist.
Der Autor Rolf Zick, 1923 in der Nähe Göttingens geboren, wurde wie seine Altersgenossen Soldat und kam zur Flak (Flugabwehr innerhalb der Luftwaffe). Die sechs Kriegsjahre überstand er glimpflich, zumal er fast ausnahmslos im Reichsgebiet zur Abwehr der anglo-amerikanischen Bombenangriffe eingesetzt wurde. Dann aber traf das schwere Schicksal auch ihn. Er mußte den Leidensweg in die sowjetische Kriegsgefangenschaft antreten, erlebte Demütigungen, Hunger, Schikane, sah seine Kameraden sterben, stand oft selbst an der Schwelle zum Tode, konnte aber auch russische Menschlichkeit erleben, betrachtet es aber letztlich als ein Wunder, daß er, krank an Leib und Seele, 1948 über Friedland wieder in die Freiheit und in die Heimat kam.
Seine Soldatenzeit schildert er ohne die heute meist typischen hämischen Bemerkungen. Daß er Krieg und Gefangenschaft überstand, schreibt er seiner stabilen Konstitution zu, die er nicht zuletzt als Jungvolkführer hatte stählen können. Rolf Zick scheint nie ein besonders politisch orientierter Mensch gewesen zu sein. So kann nicht verwundern, daß er sich in Rückblicken auf die politische Geschichte jener Zeit gelegentlich der heute opportunen Deutung und Formulierung anschließt. (Zweimal verwendet er nicht ohne Spott das angebliche Hermann-Göring-Zitat, er, Göring, wolle Meier heißen, wenn jemals ein feindliches Flugzeug in Deutschland eindringen sollte. Der Rezensent sucht seit Jahrzehnten nach der Quelle dieses heute beliebten Wortes, ohne herauszufinden, wann und wo Göring solches gesagt hat. Wenn auch Rolf Zick sie ihm nicht nennen kann, bleibt nur der Schluß, daß das Zitat eine Fiktion ist und wohl eher der britischen psychologischen Kriegsführung entstammt.)
Es ist erschreckend, immer wieder feststellen zu müssen, daß der jungen Generation das Schicksal der Deutschen während des Zweiten Weltkrieges und in der Nachkriegszeit weithin unbekannt oder doch nur in verzerrter Form bekannt ist. Daher kann man nur jeden Zeitzeugen ermutigen, sofern er des Lesens und Schreibens kundig ist, seine Erlebnisse niederzuschreiben, und das so weit wie irgend möglich aus damaliger Sicht aufrichtig, mit vielen Einzelheiten und ohne moralischen Zeigefinger. Die Schlußfolgerungen zu ziehen überlasse man getrost dem Leser. Rolf Zick hat einen löblichen Beitrag zu dieser Art redlicher Vergangenheitsbewältigung geliefert. U. Meixner
Rolf Zick: "Ich war dabei - und habe überlebt. Erinnerungen an zehn Jahre Krieg und Gefangenschaft", Eigenverlag, 344 Seiten, 13,50 Euro |
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