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Vor sieben Jahren waren sie ins Königsberger Gebiet gekommen. Die Eltern, die erwachsenen Geschwister. Sie alle waren aus Kirgisien nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, vertrieben worden. Voller Zuversicht zogen sie Richtung Westen. Hoffnung auf ein besseres Leben, vielleicht in Deutschland, vielleicht aber auch im nördlichen Ostdeutschland. Hoffnung, daß sie als Rußlanddeutsche auch Förderung aus der Bundesrepublik Deutschland erhalten.
Wir waren bei einer dieser Familien in Grünheide zu Besuch, bei der Familie Schiffmann. Wie Alexander und Maria Schiffmann erzählten, wohnten sie anfangs noch mit all ihren Verwandten in dem kleinen Ort nahe Insterburg. Als kleine Landwirte haben sie sich hier niedergelassen. Zunächst, so Alexander Schiffmann, gab es auch humanitäre und technische Hilfe aus Deutschland. Vor allem landwirtschaftliche Geräte, mit denen sie ihre 60 Hektar Land bewirtschaften konnten. Doch die Geschwister und die Eltern zog es einen nach dem anderen nach Deutschland. Jetzt sind sie die letzten aus ihrer Familie, die noch im nördlichen Ostdeutschland leben. Außer ihnen gibt es nur noch drei andere rußlanddeutsche Familien im Ort. Aber die, sagte Maria Schiffmann, werde es auch bald nach Deutschland ziehen. Auch die Schiffmanns selbst, mit ihren fünf Kindern, wollen jetzt die Übersiedlung vollziehen.
Die Situation, so Alexander Schiffmann, wird immer schlechter. Da die Landwirtschaftsgenossenschaft aus Insterburg seit einigen Jahren nun auch noch für die landwirtschaftlichen Geräte, die als technische Hilfe aus Deutschland kamen, eine jährliche Miete haben will, so soll ein Traktor jährlich 1000 US-Dollar Miete kosten, reicht der Ertrag kaum noch aus, um die Familie zu ernähren. Die Schiffmanns wären gerne im nördlichen Ostdeutschland geblieben. Die Gegend gefällt ihnen, der Boden ist einigermaßen ertragreich, und die Viehwirtschaft hat anfangs noch genug eingebracht, um die Familie zu ernähren. Aber heute bleibt kaum noch etwas. Das Haus, welches man ihnen bei ihrem Zuzug nach Grünheide zur Verfügung stellte, war eine Neubauruine. Vieles haben sie selbst gemacht, Fenster und Türen eingebaut, um überhaupt dort zu leben. Aber es bleibe noch viel zu tun. So gibt es keinen vernünftigen Fußboden, der erste Stock des Hauses und auch der Keller sind nur über eine selbstgebaute Leiter zu erreichen. Geld für die nötigen Renovierungsarbeiten gibt es nicht, und die Schiffmanns wissen auch nicht, woher sie dieses Geld bekommen sollen. Daher haben sie sich entschieden, ihren Verwandten, die heute alle im Ulmer Raum leben, zu folgen. Die nötigen Papiere haben sie bereits, und sie sind auch recht zuversichtlich, daß sie in Deutschland Arbeit finden werden, haben doch der Vater und die Brüder schnell eine Arbeitsstelle gefunden. Übereinstimmend erklärten uns beide, daß sie gerne in Grünheide geblieben wären, aber sie sehen hier, besonders für die drei Kinder, keine Zukunft mehr. Sicherlich stehen die Schiffmanns nicht stellvertretend für alle Rußlanddeutschen, die im nördlichen Ostdeutschland leben, aber sie sind ein Beispiel für viele. Viele, die vertrieben wurden, die in der neuen Heimat nicht heimisch werden konnten, weil die wirtschaftliche Grundlage fehlt und die Hilfen nicht ausreichten oder nicht vorhanden waren. Trotzdem, viele Rußlanddeutsche, die heute in Nord-Ostdeutschland leben, wollen hierbleiben, denn auch die gibt es, die sich hier eine langfristige Existenz aufgebaut haben. Den Schiffmanns kann man für ihren erneuten Umzug nur noch alles Gute wünschen. BI
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