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Mittlerweile gibt es in fast allen größeren Städten der Welt jährlich am "Christopher Street Day" (CSD) schrille Paraden, auf denen Schwule und Lesben tanzend und oft leichtbekleidet durch die Straßen ziehen und für "Toleranz" werben. "Die sozialpolitische Strategie dieser Veranstaltung", kommentierte jüngst die Frankfurter Allgemeine Zeitung , "besteht darin, die angebliche Diskriminierung Homosexueller - die nur mehr in der Nichtzulassung der Ehe für Menschen einerlei Geschlechts erblickt werden kann - durch theatralischen Exhibitionismus zu konterkarieren".
Wo viele Menschen sind, denkt sich die Politik, sind auch viele Wähler, die es zu umwerben gilt. Immer mehr prominente Politiker gesellen sich zu den Regenbogenfahnen der Homosexuellen, schreiben Grußworte oder übernehmen die Schirmherrschaft für den CSD. Angefangen haben damit die Grünen, später zogen SPD und FDP nach. Sie alle vermuten in der Szene eine wichtige linksgerichtete Klientel, deren Forderung nach der "Homo-Ehe" Rot-Grün ja auch politisch bedient hat. Wenn aber ein CDU-Sozialminister im konservativen Baden-Württemberg sich als Schirmherr des "Christopher Street Days" hergibt, provoziert dies immer noch einen mittleren Skandal.
Andreas Renner sitzt erst seit drei Monaten im Amt. Inzwischen ist er bundesweit bekannt, doch in seiner Partei bei vielen unten durch. Der 45jährige Jurist war bis April 2005 noch Bürgermeister der Kreisstadt Singen. Kaum hatte Ministerpräsident Günther Oettinger seinen alten Freund aus JU-Zeiten ins Kabinett geholt, setzt dieser ein Zeichen der besonderen Art. Renner sagte nicht nur ein Grußwort für den Stuttgarter CSD vom 22. bis zum 31. Juli zu, sondern übernahm gleich die Schirmherrschaft. Daß sich das diesjährige Fest der Homosexuellen als "Familie heute" bezeichnet, schreckte Renner nicht ab.
Andere in der CDU zeigten sich entsetzt. Es hagelte Protestbriefe von der konservativen Basis, Kritik kam von der Senioren- und von der Frauen-Union, ja selbst von der evangelischen Kirche. Der Abgeordnete Karl Zimmermann fragte ironisch, ob künftig das "C" im Namen der CDU "durch Christopher" ersetzt werde. Von der Parteispitze fand Stefan Mappus, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, die schärfsten Worte. Er erklärte in einem Interview, der CSD sei "die frivole, karnevaleske Form der öffentlichen Darstellung sexueller Neigungen". Dies käme weder bei der Partei noch bei den CDU-Wählern gut an.
Nach Aussage von Mappus in der Pforzheimer Zeitung lehnten "99 Prozent" der CDU-Landtagsfraktion es ab, daß Renner die Schirmherrschaft für den CSD übernommen hat. Ein Abgeordneter nannte den Sozial- und Familienminister, der inzwischen zum dritten Mal verheiratet ist, eine "völlige Fehlbesetzung". Trotz der heftigen Kritik aus den eigenen Reihen blieb Renner bei seiner Zusage und besuchte am vergangenen Freitag die Eröffnungsgala des CSD im Stuttgarter Theaterhaus. Er warb dort für "mehr Toleranz", erklärte aber auch, sein Familienbild habe sich nicht geändert. Adoptionsrechte für homosexuelle Paare lehne er weiter ab.
Auftritte von Politikern beim "Christopher Street Day" haben aber auch schon das Ende von Karrieren bedeutet. Als 2003 die FDP-Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck die Schirmherrschaft für den Stuttgarter CSD innehatte, schickte sie Tim Lucas, den Landesvorsitzenden der Julis, als Vertretungsredner. Der liberale Nachwuchspolitiker gab ein freimütiges Bekenntnis zur Bisexualität, die ihm ein "deeper understanding zwischen gleichen Geschlechtern ermögliche". Lucas Rede, mit Ausdrücken wie "geil", "bullshit" oder "fuck off" garniert, gipfelte in dem Aufruf: "Ich glaube fest daran, daß all die Ängste und Vorurteile über Homosexualität verschwinden würden, wenn wir alle ein bißchen mehr miteinander poppen würden!" Das ging dann selbst der FDP etwas zu weit. Wenig später nahm der Landesvorsitzende der Julis nach Rücktrittsforderungen seinen Hut. FPP |
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