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Eines Abends, Friedrich Dönhoff war bei seiner Großtante Marion zu Besuch, zerrte die alte Dame einen alten Koffer unter einem Sofa hervor. Als sie den Inhalt erblickte, war die damals fast 92jährige selber überrascht, denn in dem vergessenen Koffer befand sich ein Pappkarton mit alten Dias von ihrer Reise nach Albanien und Jugoslawien, die sie in den 30er Jahren mit ihrer Schwester Yvonne unternommen hatte. Doch offenbar hatte die Journalistin und Mitbegründerin der Wochenzeitung Die Zeit kein Interesse, alte Zeiten wieder aufzuwärmen, und schob den Karton an seinen Platz zurück. Noch ihrem Tod 2002 erinnerte sich der Großneffe jedoch an diesen Karton und ließ die Dias entwickeln. Schon die positive Reaktion der Fotolaborantin überzeugte ihn, daß die Bilder eine Veröffentlichung verdienten. Zusammen mit einigen Texten der Eigenwilligen und anderen Aufnahmen, die jedoch nicht alle von der Dönhoff selber sind, da sie davon überzeugt gewesen war, daß ein guter Journalist nicht schreiben und fotografieren gleichzeitig könne, hat Friedrich Dönhoff nun das Buch „Reisebilder – Fotografien und Texte aus vier Jahrzehnten“ herausgegeben. Bilder und Texte entführen nicht nur auf den Balkan, nach Moskau, Afrika und den Jemen, sondern natürlich auch in ihre Heimat Ostdeutschland. Als begleitende Texte sind nicht nur die von der Autorin von der Reise angefertigten farbenprächtigen Reportagen abgedruckt, sondern auch ein Brief, den die Autorin 1955 auf ihrer Moskau-Reise mit Adenauer an ihre Geschwister verfaßt hatte. Letzterer läßt die UdSSR als einen fortschrittlichen Staat erscheinen, wie es uns mit dem heutigen Wissen über die Entwicklungen lächerlich vorkommt. Texte und Bilder zeigen längst vergangene Welten – und belegen, daß die Dönhoff auch eine bemerkenswert gute Fotografin war. Fritz Hegelmann Friedrich Dönhoff (Hrsg.): „Marion Gräfin Dönhoff – Reisebilder“, Hoffmann und Campe, Hamburg 2004, geb., Abb., 270 Seiten, 24,90 Euro
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