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Fernab der Sorgen und Nöte der Bürger

 
     
 
Die wichtigste Aufgabe der kommenden Legislaturperiode sei es, so der amtierende Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) im ZDF, der Bevölkerung zu zeigen, daß die neu in den Landtag eingezogene NPD keine Alternativen bieten könne.

Damit marschiert der alte und wohl auch neue Chef der Schweriner Staatskanzlei schnurstracks auf jenem Kurs weiter, der den Wahlkampf aller Parteien von PDS bis CDU in Mecklenburg-Vorpommern
während des Wahlkampfes bestimmt hatte: Hauptsache, die NPD bleibt draußen. Und, als ihr Einzug nach allen Umfragen nicht mehr zu verhindern schien: Wenigstens muß sie unter zehn Prozent bleiben.

Bei der kleinen radikalen Partei, die - beflügelt durch das jämmerlich gescheiterte Verbotsverfahren - immer unverblümter als nationalsozialistisch inspirierte Formation auftritt, muß Ringstorffs Kampfansage wie ein Ritterschlag ankommen. Wer in einem Land mit über 20 Prozent Arbeitslosen, einem Land, das durch Abwanderung regelrecht ausblutet (seit diesem Sommer hat MV weniger als 1,7 Millionen Einwohner, 1990 waren es fast zwei Millionen), als "wichtigste Aufgabe" wahrgenommen wird, der muß es ja wirklich in sich haben.

Ausgerechnet die Chefredakteurin der linken "Tageszeitung", Bascha Mika, beklagte im Gespräch mit "Focus"-Hauptstadtkorrespondent Henning Krumrey, daß im Grunde nur die NPD Wahlkampf mit Inhalten gemacht zu haben schien. Auf deren Plakaten seien wenigstens - wie auch immer zu bewertende - Forderungen erhoben worden. Alle anderen Parteien hingegen hätten auf inhaltliche Forderungen praktisch verzichtet.

Es ging bloß darum, "daß wir unsere erfolgreiche Arbeit fortsetzen können", daß "Rot-Rot abgelöst wird", daß "liberales Profil im Landtag wieder sichtbar" werde oder ähnliches.

Solche Parolen mochten ziehen in den Wohlstandstagen der alten Bundesrepublik, als die etablierten Parteien über einen stabilen Stamm begeisterter Wähler verfügten. Jene eingefleischten Unions-, SPD- oder FDP-Anhänger verspürten eine tiefe Verbundenheit mit ihrer favorisierten Gruppe. So empfanden sie den Sieg ihrer Lieblingspartei schon an sich als großen Erfolg, sie freuten sich uneingeschränkt gemeinsam mit den Funktionären.

Diese Zeiten sind sogar in Westdeutschland vorbei, zwischen Wismar und Ueckermünde sehen viele Menschen sich und ihre ganze Region gar in der Existenz bedroht. Das Fortkommen einzelner Parteien ist ihnen herzlich schnurz.

Ein Ministerpräsident, der sich trotz erdrutschartiger Verluste und obwohl seiner Partei nur noch 17,9 Prozent aller Wahlberechtigten ihre Stimme gaben, "bestätigt" sieht, muß wie Hohn klingen.

Oder wie jemand, der den Bezug zur düsteren Realtität verloren hat. Nicht anders Politiker, die eine Wahlbeteilgung von 59,2 Prozent öffentlich gar nicht so schlecht finden, nur weil Umfragen zuvor eine noch weit geringere Teilnahme für möglich gehalten hatten.

Absurd muten schließlich Forderungen an, nun vor allem Geld in "Anti-rechts"-Programme zu stecken, um meist ziemlich weit links angesiedelte Volksbelehrer zu alimentieren, welche die Menschen über den Charakter der NPD aufklären sollen. Da könnte der Eindruck entstehen, daß die führenden Parteien üppige Steuermittel aufwenden, um mittels Propaganda wettzumachen, was sie an realer Lösungskompetenz missen lassen.

Für Kanzlerin Angela Merkel sind die CDU-Verluste in ihrem Heimatland auch eine persönliche Niederlage. Ihr Einsatz im Landtagswahlkampf hat keinerlei positive Wirkung gezeigt, einen "Kanzlerbonus" gab es schlichtweg nicht.

Das ist neu in deutschen Landen. Bislang war ein so hohes Amt wie das des Bundeskanzlers noch immer von einer gewissen Aura umgeben, die Eindruck machte auf die Bürger. Der Respekt vor solchen Autoritäten spiegelte ein Grundvertrauen wider, das die Deutschen ihrer politischen Führung entgegenbrachten, selbst wenn sie mit vielem in der Politik nicht einverstanden waren. Noch 1998 konnte Gerhard Schröder die Landtagswahl in Niedersachsen damit gewinnen, daß bei diesem Urnengang entschieden werden sollte, wer im Herbst des selben Jahres SPD-Kanzlerkandidat werden würde - er oder der Saarländer Oskar Lafontaine. Es wurde ein voller Erfolg für Schröder - ein Kanzler aus ihrem Bundesland, das faszinierte zahlreiche niedersächsischen Wähler.

Die Mecklenburger und Vorpommern läßt dies nur acht Jahre später völlig kalt. Manche Forscher sehen die Politikerverdrossenheit, die seit langem beobachtet wird, in eine regelrechte Politikerverachtung umschlagen.
 
     
     
 
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