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Finkelstein stürmt Buchmarkt

 
     
 
Kein Zweifel: Der amerikanisch-jüdische Politikwissenschaftler Norman Finkelstein hat die Deutschen elektrisiert. Sein Buch von der "Holocaust-Industrie" hat eine ans Hysterische grenzende Debatte ausgelöst. Nachdem der Band im vergangenen Juli in den USA erschienen war, versuchten aufgeschreckte Meinungswächter zunächst sogar, die Übersetzung ins Deutsche zu verhindern, so irritierend war ihnen sein Inhalt.

Nun, Finkelsteins Abrechnung
mit der "Ausbeutung jüdischen Leids" durch mächtige jüdische Organisationen erschien dennoch auf deutsch und erstürmt furios den Buchmarkt. Beim führende Internet-Buchversand "amazon.de" rangiert das Werk bereits auf Platz eins der Rangliste, wird also häufiger bestellt als jeder andere derzeit erhältliche Band.

Vergangene Woche stellte sich Norman Finkelstein in Berlin der Diskussion. Hier würdigte er ausführlich die Bemühungen der Deutschen, sich den Schatten der Vergangenheit zu stellen, und prangerte die Art an, in der es ihnen vergolten werde. Nicht der Völkermord an den Juden sei unvergleichlich, wohl aber die Haltung der Deutschen, die sich im Unterschied zu anderen Nationen der Opfer annähmen, seit Jahrzehnten gewaltige Entschädigungsleistungen erbrächten und das Andenken wahrten.

Statt dies zu respektieren, würde jedoch Kampagne auf Kampagne gegen die Deutschen gestartet – bis hin zu dem "absurden" Machwerk Daniel Goldhagens. Goldhagen hatte in seinem vor wenigen Jahren erschienenen Buch "Hitlers willige Vollstrecker" den Deutschen eine Art natürlicher Veranlagung zum Judenmord untergeschoben und verstieg sich so in die vulgären Erklärungsmuster klassischer Rassisten.

Finkelstein machte in Berlin kein Hehl aus seinem Unverständnis darüber, in welchem Ausmaß deutsche Meinungsführer einen Goldhagen gefeiert haben und ihn selbst nun derart scharf kritisierten.

Ein Unverständnis, das die Mehrheit der Deutschen teilt. Dies wurde nicht erst anhand der freundlichen Aufnahme des Finkelstein-Buchs sichtbar. Als im Herbst 1998 der Schriftsteller Martin Walser die "Instrumentalisierung des Holocaust" öffentlich anprangerte, löste er spontanen Beifall aus. Nachdem allerdings der damalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, Walser als "geistigen Brandstifter" beschimpft hatte, gingen Medien, Politiker und Wissenschaftler wieder auf vorsichtige Distanz zu dem Autor.

Finkelstein indes ist Jude, Walser nicht. So abwegig es im Zeitalter angeblich aufgeklärter Menschen erscheinen mag – das ist offenbar ein Unterschied, der darüber entscheidet, wer gewisse Wahrheiten aussprechen darf und wer nicht.

Jetzt wird darüber fabuliert, welche Wirkungen Finkelsteins Thesen zeitigen werden. Der Autor griff besonders die Selbstgerechtigkeit der US-Amerikaner auf. Nach Indianer-Völkermord und der Sklaven-Barbarei hätten sie kein Recht, über die Deutschen moralisch zu richten. Dieses Volk sei bei der Aufarbeitung seiner Vergangenheit den Amerikanern "um Lichtjahre voraus".

Das regt zu tieferem Nachdenken an – auch über deutsche Verantwortung für die Welt. Können wir unseren Weg der Vergangenheits-Vergegenwärtigung anderen Nationen wirklich guten Gewissens zu Nachahmung empfehlen? Unsere Nachbarn werden sich die deutsche Methode genau ansehen und nicht vor der frivolen Frage zurückschrecken, was es den Deutschen denn gebracht hat, so wie gehabt zu verfahren.

Der düstere Verdacht, daß jeder deutschen Geste tätiger Reue bloß immer neue, immer gewaltigere Forderungen und drastischere antideutsche Attacken nachfolgen, hat sich im Bewußtsein der breiten Masse hierzulande längst tief eingebrannt.

Und hier geht es längst nicht nur um Geld. Unwidersprochen hat sich der Begriff vom "Volk der Täter" in den Sprachgebrauch eingeschlichen. Das ist mehr als ein bloß hingesagtes Wort, es ist ein Attribut, welches ein Volk auf das tiefste stigmatisiert. Einst war in bezug auf unterschiedliche Nationen vom "Volk der Seefahrer", "der Pioniere", "der Dichter und Denker" die Rede. Und nun also vom "Volk der Täter" – in Stein gemeißelt, für die Ewigkeit, als fatales Urteil über alle vergangenen und kommenden Generationen.

In diese Logik eingeschlossen ist das Verbot, über deutsche Opfer, über Vertriebene zumal, zu sprechen. "Deutsche Täter sind keine Opfer" stand auf dem Transparent, welches Linksextreme zum Ende der Berliner Finkelstein-Diskussion entrollten. Deutsch sein heißt also Täter sein – grundsätzlich, als angeborenes Merkmal sozusagen. Dies ist keine Mahnung zum kritischen Umgang mit der eigenen Geschichte mehr. Es ist eine moralische Todesfalle. Elisa Wachtner

 
     
     
 
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