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Und nun? Wie geht es jetzt weiter in der SPD? Die starken Worte des Kanzlers, sein Rückzug sei keinesfalls als Rückzug zu verstehen, haben uns und die rote Basis schon beeindruckt. Seitdem wirkt der Regierungschef allerdings seltsam blaß und ist kaum noch hörbar. Überall nur mehr Münte, Münte, Münte - als habe der seinen (noch gar nicht offiziell ausgetauschten) Parteichef-Vorgänger im Kanzleramt unter Hausarrest gestellt wie einen abgesägten König, über dessen Hinrichtung die Revoluzzer erst später entscheiden wollen. Wenn er mal raus darf, der Schröder, dann ausschließlich in Begleitung, wie beim jüngsten NRW-Parteitag.
Im stolzen alten Germanien warfen sich die blonde n Frauen mit blanker Brust selber in die Schlacht, wenn ihre Recken schlappgemacht hatten, berichteten erstaunte Römer. Kanzlerfrau Doris ist noch so eine. Sie hat in der Not dieser Tage schnaubend den Besen bestiegen und gewittert übers deutsche Land. Wie schon Ende 2002, als sich der Pöbel feixend über den "Chaos-Kanzler" hermachte und der fiese "Steuersong" durch die Gassen dröhnte. Damals schaltete Doris den Anwalt Nesselhauf ein, um ihren Gatten gegen die Mär von seinen gefärbten Haaren zu schirmen. Das hat uns großen Spaß gemacht, wissen Sie noch? Jetzt ist es wieder soweit: Doris will angeblich denselben Anwalt von der Kette lassen, um gegen die Bild loszusäbeln, weil die jeden Tag mit ihrem Gerhard Schlitten fährt. Es wird fabelhafte Schlagzeilen hageln.
I ndes kann sich Doris Schröder-Köpf glücklich schätzen, daß sie nicht Frau Clement-Köpf heißt. Dem Clement geht es weitaus schlechter als seinem kastrierten Kanzler: Als die alte Fregatte SPD entschied, ein halbes Pfund Rouge aufzulegen und im Winde der Umfragen zu ihren linken Ursprüngen zurückzusegeln, da hakte sie den lästig gewordenen "Reformmotor" kurzerhand aus. Die Gazetten verlachen ihn nun hämisch als "Nachgeburt des Reformprozesses" - der schneidige Superminister ist in wenigen Monaten zum schleimigen alten Sack verkümmert, den keiner mehr anfassen mag. Bis nach der Hamburg-Wahl, so die zuverlässigen Schwätzer auf den Regierungsfluren, schleppen sie ihn noch mit, weil s besser aussieht. Danach wird Clement "in gegenseitigem Einvernehmen" zum Strick greifen, um im Limbus des Vergessens "andere wichtige Aufgaben wahrzunehmen".
Gemein, daß man dem Clement den Tip mit der Nachgeburt nicht früher gesteckt hat. Immerhin birgt so ein Gebilde den Vorteil, daß man es nicht brechen kann wie eins mit Rückgrat. Und ist es nicht Clements Verhängnis, daß er allzu knöchern an seinen "Projekten" festgehalten hatte? Streckenweise er- weckte er den Eindruck, als glaubte er selber an das Gedöns vom "Aufbruch" und von den "schmerzlichen Einschnitten", das sein Kanzler nur daherredete, weil seine Image-Berater das für telegen hielten. Der verfallene Superminister hätte nur mal rüberschielen müssen zum Kabinettskollegen "Mautfred" Stolpe, um zu lernen, wie man s macht.
Der Brandenburger hatte sich bekanntlich schon vor Jahrzehnten strikte Geschmeidigkeit verordnet und waberte somit bruchlos aus den besseren Kreisen der DDR durch die Ritzen des Mauerfalls direkt in die bundesdeutsche Polit-Schickeria. Solche Leute sind in der Politik ebenso unentbehrlich wie Fettaugen in der Gemüsesuppe - und können ebensowenig untergehen. Alles in allem 6,5 Milliarden Euro wird der Verkehrsminister am Ende in den Vertragssümpfen von Toll Collect versenkt haben - Mautfred aber schwimmt mitten im Modder obenauf und findet aufmunternde Worte für uns, die wir am Ufer stehen und den verschwundenen Steuermilliarden hinterherjammern: Er werde das alles zurückklagen von diesen Collect-Gaunern, poltert der Minister. Sofort geht es nicht nur uns viel besser, sondern auch dem Mautfred. Der weiß nämlich, daß die Prozesse viele Jahre dauern und erst entschieden sein werden, wenn er längst hinter die hohen Berge seiner Pensionsansprüche entschwunden ist.
Grund zur Befriedigung gibt es übrigens jetzt schon: Da die 6,5 Milliarden so oder so erst einmal weg sind, fallen mehr Straßenbauprojekte ins Wasser, als eine ganze Armada von grünen Bürgerinitiativen jemals hätte wegklagen können. Das spart viel Mühe. Und die Bahn? Der empfiehlt der Verkehrsminister, sie solle die nun nicht mehr bezahlbaren Baumaßnahmen "zunächst zwischenfinanzieren". Wir merken: Nicht allein für Clement, sogar für Hans Eichel ist Stolpe der geborene Ratgeber. Klingt "Zwischenfinanzieren" nicht viel behaglicher als "Schulden machen"?
Wie teuer guter Rat manchmal sein kann, hat kurz nach dem armen Clement auch CDU-Chefin Merkel zu spüren bekommen, als sie dieser Tage durch die Türkei eiertanzte. Statt der vollen EU-Mitgliedschaft bot sie den Türken frech nur "privilegierte Beziehungen" an mit viel Geld, aber ohne Zuzugsfreiheit. Schröder wird diesen Blödsinn schnell korrigieren. Vollmitgliedschaft, unter dem geht nichts für den Kanzler. Schließlich hofft er auf Scharen von türkischen Neubürgern, die nach Öffnung der Grenzen ins Land strömen und rot-grüne Mehrheiten sichern - für die paar Jahre zumindest, bis Erdogans "gemäßigte Islamisten" ihre eigene Fi-liale in Deutschland eröffnet haben.
Die Vertreter der Türken in Deutschland haben sich mit gebotener Höflichkeit in die Diskussion eingeschaltet. Der türkische Botschafter in Berlin, Mehmet Ali Irtemcelik, hat darauf hingewiesen, daß "Millionen" von Moslems in Deutschland ihre "Schlüsse ziehen", wenn im Dezember keine EU-Beitrittsverhandlungen mit seinem Land aufgenommen würden: "Diese (Schlüsse) werden sich natürlich auf ihre Denk- und Verhaltensweisen übertragen." Diese Drohung sei indes "keinesfalls eine Drohung", beruhigte er die deutsche Öffentlichkeit, die den Hinweis dankend aufnahm - laut einer Umfrage sind 54 Prozent der Deutschen für einen Beitritt der Türkei zur EU.
Warum auch nicht? Aus Erfahrung wissen wir, daß nur wirklich zivilisierte Erpresser das Wort "Drohung" meiden und viel lieber von "beiderseitigem Interesse" sprechen. So auch Irtemcelik: Der angekündigte Aufruhr der Moslems in Deutschland für den Fall einer Nichtaufnahme der Türkei sei bloß "eine im beiderseitigen Interesse zu erinnernde, einfache sozialpsychologische Dynamik". Mit solch verständigen Worten hätten Sozialwissenschaftler sicherlich auch die Ursachen für das jahrelange Bürgerkriegsgemetzel in Bosnien umschrieben.
Begrüßungsansprache und -ansprüche
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