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Auf Bundespräsident Rau soll eine Frau ins höchste Amt folgen. Jeder, der gerade eine da hat, die er dringend loswerden will, darf sich melden, sagen die Medien. Beim Goethe-Institut scheint der Entsorgungsbedarf besonders quälend zu sein. Dort hob man als erster den Finger und schickte die eigene Präsidentin Jutta Limbach ins Schaulaufen um das Schloß Bellevue.
Limbach ist erst seit rund einem Jahr Präsidentin jenes Instituts, das der Welt ein Bild von Deutschland malen soll. Zuvor hatte sie sich als Verfassungsrichterin verdient gemacht um die juristische Bestätigung der Tatsache, daß "Soldaten Mörder sind". Das machte sie populär. Limbach verstand es überdies, in die trockene Juristerei auch einen Schuß Kunstsinn einzubringen. So adelte sie die hübschen Foto-Montagen in Reemtsmas Wehrmachts-Wanderschau durch ihren höchsteigenen Besuch. Gerade noch rechtzeitig, denn kurz nach Frau Limbachs Visite wurde der Laden wegen seiner allzu weitläufigen Auslegung der Wahrheit dichtgemacht.
Das Bundespräsidentenamt wäre die Krönung eines erfolgreichen Lebens: Richterin Limbach erklärte uns den unterirdischen Charakter deutscher Soldaten, und als Goethe-Instituts-Chefin konnte sie diese Einsicht später in alle Welt tragen - wo Limbach war, da wissen die Menschen im Ausland nun, was sie zu tun haben, wenn Struck das nächste Bundeswehr-Kontingent vorbeischickt: immer draufhalten. Zudem würde eine Bundespräsidentin Jutta Limbach den jungen Nachwuchsmeuchlern gewiß gern ihre ehrlichen Wünsche hinterherschicken.
Wünschen allein hilft aber nicht immer. Wolfgang Clement hatte sich für die zweite Jahreshälfte einen phantastischen Aufschwung gewünscht. Jetzt sitzt er in seinem Büro, spielt unruhig mit dem Büromaterial und stiert aus dem Fenster: Kein Aufschwung da, nur Rechnungen. Insbesondere Klinikärzte werden jetzt ziemlich teuer, weil man ihnen ihre "Bereitschaft" als Arbeit vergüten muß. Ja, das wäre was, wenn man auch den Politikern allein ihre Bereitschaft zu irgendwas bei den Wahlen anrechnete.
Denn "Reform-Bereitschaft" können wir den Regierenden nun wirklich nicht absprechen. Beim Zahnersatz beispielsweise hat man uns monatelang mit allen möglichen Reformpapieren bei Laune gehalten: Selber bezahlen oder Zusatzversicherung oder was-noch-alles. Das Ergebnis der aufwendigen Bemühungen liegt jetzt vor: es bleibt alles beim alten, vorerst. Aber dennoch ist es doch schön, daß wir mal drüber geredet haben.
Hans Eichels unermüdliche "Bereitschaft zu tiefgreifenden Reformen" ist bereits Legende. Bilanz: Siehe oben. Warum rackert er sich so ab? Keiner dankt ihm seine Leistungen. Diese Woche hat er sogar eine derbe Tracht Prügel bezogen im Reichstag. "Verläßliche Haushaltszahlen" wollte die Opposition aus ihm herauswürgen. Den schwarz-gelben Querulanten hat er s aber gezeigt und ihnen einen betonfesten Haushalt 2004 vor den Latz geknallt: Wenn die Wirtschaft im nächsten Jahr um zwei Prozent wächst, also nur zwanzigmal so schnell wie zur Zeit, wenn die Hartz-Reformen richtig greifen (was nach bisherigen Erfahrungen nur noch eine Frage des Daumendrückens ist), wenn die Steuerflüchtlinge 50 Milliarden Euro artig zum Eichel zurückbringen und wenn der Winter dieses Jahres ein Sommer wird - dann muß die öffentliche Hand kaum 90 Milliarden neue Schulden machen. Als Eichel das gesprochen hatte, waren Union und FDP schlichtweg baff. Wir nicht minder.
Wie üblich melden sich angesichts der Zahlen die unvermeidlichen Knauser, die darauf herumreiten, daß wir das alles irgendwann zurückzahlen müssen. Als wüßte nicht längst jeder geübte Bankrotteur, daß es nur auf eines ankommt: sich nicht in die Karten schauen lassen. Das hat auch der Finanzminister begriffen und faßt seine öffentlichen Erklärungen neuerdings bewußt so ab, daß nicht mehr recht klar wird, worum es eigentlich geht. Vorbild ist die Werbung. "Quiz-Master" machen sich einen Spaß daraus, Zuschauern Werbespots vorzuführen, um anschließend sie zu fragen, welches Produkt hier beworben wurde. Meist liegen die Befragten daneben. Was die Werbung kann, kann ich auch, dachte sich Hans Eichel. Seine Erklärungen heißen seit jüngstem nicht mehr "Erklärungen" sondern "Statements", "Stake-Outs" oder "Door-Steps". Man versteht zwar kein Wort, aber irgendwie klingt das alles ganz irre modern, ja "sexy", finden die Journalisten. Und fragen nicht weiter nach. Geschafft!
Im Schutz des Gedröhns können die gebeutelten Kabinetts-Akteuren etwas Luft schnappen und endlich zu ihren sozialdemokratischen Wurzeln zurückzukehren. Und was macht ein Sozialdemokrat in der Krise? Er "verteilt die Lasten". Wenn es eng wird, soll sich niemand "aus der Solidarität stehlen" dürfen. Beinahe wäre es der Tourismusbranche unter steuerfreier Traumsonne gelungen, aus der Krise auszuscheren und sich unsolidarisch einen satten Jahrhundertsommer zu erschleichen - jetzt, wo alle anderen darben.
Glücklicherweise sind die sozialdemokratischen Tugenden bereits tief ins Unionslager vorgedrungen, weshalb der Absahnerei ein Riegel vorgeschoben werden konnte: Die schwarz-rot-bunte Kultusminister-Konferenz legte die großen Ferien einfach so, daß die deutschen Urlaubsorte zur einen Hälfte des Sommer leer und zur anderen völlig überfüllt waren. Das Resultat kann sich sehen lassen: Die Gewinneinbußen des Beherbergungs-Gewerbes sind gewaltig. Nun wissen auch die spießigen Zimmervermieter und arroganten Restaurantbetreiber, daß in diesem Land keine halben Sachen mehr gemacht werden. Wenn schon runter, dann alle gemeinsam.
Um den überlebenden Rest des Mittelstandes kümmern sich Kanzler und Gewerkschaften. Sie haben ihrer Kreativität freien Lauf gelassen und etwas wirklich Originelles ausgebrütet: Eine neue Abgabe. Daß man sie "Ausbildungsplatz-Abgabe" taufen will, tut nichts zur Sache. Vermutlich waren alle übrigen "Abgabe"-Bezeichnungen bereits anderweitig vergeben. Sollten die kleinen Unternehmen Widerstand leisten, hat Wirtschaftsminister Clement schon das nächste As im Ärmel: Er droht, die betriebliche Berufsausbildung ganz abzuschaffen und die Sache in staatliche Hände zu legen. Erstens, weil der Staat sowieso besser ausbildet, wie die Schulen beweisen. Zweitens, weil das deutsche System der innerbetrieblichen Ausbildung Neid im Ausland weckt und somit das Vertrauen unserer Nachbarn untergräbt.
Eichels Etat steht. Ob er auch stehen bleibt, ist nur noch eine Frage des Daumendrückens |
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