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Stoiber: Sieger ohne Mehrheit

 
     
 
Mit der Öffnung der Wahllokale am vergangenen Wahlsonntag ging ein monatelanger verdeckter Lagerwahlkampf zu Ende. Rot-Grün gegen Schwarz-Gelb. Das war die Botschaft der bürgerlichen Oppositionsparteien, auch wenn die FDP aus taktischen Erwägungen auf eine klare Koalitionsaussage verzichtete. Ein schwerer Fehler, wie wir heute wissen. Der Kanzler personalisierte zunächst stark "Der oder ich", später dann "Wir oder die".

Wochenlang sahen die Umfragen Schwarz-Gelb mehr oder weniger deutlich vorne, obwohl - im Gegensatz zu 1998 - eine breite Grundströmung
für einen Regierungswechsel nicht zu registrieren war. In den letzten beiden Wochen kippte die Pro-Stimmung für Schwarz-Gelb zugunsten Rot-Grüns. Die Wahl hat diesen Stimmungsumschwung bestätigt.

Zwei Faktoren haben die Tendenzwende zugunsten der Regierungskoalition ermöglicht:

1. Das Elbe-Hochwasser. Naturkatastrophen sind immer die Stunde der Exekutive. Der Kanzler konnte sich als Krisenmanager und - nicht nur für die Geschädigten - als anteilnehmender Sozialpolitiker profilieren. Dies brachte Stimmen in den mitteldeutschen Bundesländern, auch Stimmen von der PDS.

2. Schröders eindeutige Aussagen zum Irak-Konflikt. Albanien, Kosovo, Bosnien, Mazedonien und die Marine am Horn von Afrika, die ganz überwiegende Mehrheit der Deutschen war und ist der Auffassung, daß wir mit dem derzeitigen weltweiten Engagement der Bundeswehr unserer gewachsenen Verantwortung für die Völkergemeinschaft mehr als gerecht geworden sind. Vor dem Hintergrund unserer Geschichte - hier ist die häufig benutzte abgedroschene Formulierung angebracht - kommt eine Beteiligung der Bundesrepublik an einem von den USA gewünschten Angriffskrieg gegen den Irak nicht in Betracht.

In dieser Frage blieb der Kanzlerkandidat der Union lange nebulös, um sich kurz vor der Wahl der Position Schröders weitestgehend anzunähern.

Unabhängig von der klaren Haltung Schröders war die Art und Weise, wie er die deutsche Haltung zum Irak-Problem den Amerikanern vermittelte, oberlehrerhaft und für die USA brüskierend.

Die Wahlanalyse offenbarte weitere Gründe, warum die CDU nach Auszählung der Stimmen die Nase nicht vorn hatte. Die Wahl wurde nicht nur im Osten verloren; wo blieb der erhoffte Merkel-Effekt? Völlig unbefriedigend war auch das Abschneiden der CDU in den norddeutschen Ländern. Das desaströse Ergebnis der CDU bei der Bundestagswahl 1998 wurde in Bremen und in Hamburg nochmals unterschritten. In Niedersachsen kam die Christen-Union wie auch 1998 über 34 Prozent nicht hinaus. Zur Erinnerung: Vor 20 Jahren gewann sie unter Führung von Ernst Albrecht und Wilfried Hasselmann die absolute Mehrheit. In Schleswig-Holstein entschieden sich auch nur 36 Prozent der Wähler für die CDU, dort konnte sie nur einen einzigen Wahlkreis gewinnen.

Offensichtlich gab es bei der Union in einzelnen Regionen Defizite bei der Mobilisierung der eigenen Wählerklientel.

Auch die viel gepriesene Geschlossenheit der Union war bei Lichte betrachtet nicht erstklassig. Die nun aufs Altenteil abgewanderten Altlinken der CDU Süssmuth und Geißler, haben im Fernsehen an der Herabsetzung des eigenen Kanzlerkandidaten mitgewirkt. Die Berufung der Frau Reiche in das Kompetenzteam Stoibers mit der Zuständigkeit für Familie und Frauen war eine Zumutung für viele treue Mitglieder und Wähler der CDU/CSU. War diese Personalie dem Kandidaten von der Merkel-CDU oktroyiert worden? Frau Reiche, unverheiratete Mutter und aus dem Osten kommend, könnte Stimmen bringen. Dies wird wohl die dahinter stehende wahltaktische Überlegung gewesen sein. Diese Erwartung ist nicht aufgegangen und für Teile der Basis wirkte die Berufung Reiches nicht mobilisierend sondern demotivierend. Ihr völliges Abtauchen während der heißen Wahlkampfphase kann nur als Schadensbegrenzung gedeutet werden.

Wo war Frau Schavan im Wahlkampf? Im Kompetenzteam war sie zuständig für das so wichtige Feld Schule und Bildung. Vor dem Hintergrund der Pisa-Studie hätte man mit diesem Thema mehr punkten können.

Das Thema Zuwanderung wurde nur am Rande thematisiert und als 1 b) Thema bezeichnet. Hat man bei der Union immer noch nicht erkannt, das 10 Millionen Fremde für Deutschland und die Deutschen eine sozial- und bildungspolitische Belastung darstellen, vor der sich die Menschen fürchten?

Wenn jetzt einzelne CDU-Größen die Gründe für das Verfehlen der Wahlziele bei der FDP suchen, ist dies ein Ablenkungsmanöver. Nein, die Quasi-Wahlgewinner CDU/CSU müssen die Gründe für die Neuauflage der Rot-Grünen Bundesregierung bei sich selbst suchen.

Ministerpräsident Stoiber hat in seiner Eigenschaft als Kanzlerkandidat einen exzellenten Wahlkampf geführt. Sein hervorragendes Ergebnis bundesweit und besonders in Bayern belegt, daß seine veröffentlichten schlechten Beliebtheits- und Kompetenzwerte nicht der tatsächlichen Volksstimmung entsprachen. Nach der Wahl wurde deutlich, Stoiber steht für persönliche Integrität, Disziplin, Kompetenz und Wertebewußtsein. Das sind Tugenden, die der Bundeskanzler Deutschlands braucht, um das Land nach vorne zu bringen.

Stoiber war nicht gut beraten, als er im Wahlkampf fast nur die Arbeitsmarktpolitik und das gebrochene Versprechen des Kanzlers hinsichtlich der Arbeitslosenzahl thematisierte. Dadurch entstand partiell der Eindruck, er habe nur auf diesem Feld Kompetenz. Auch hätte der Kandidat in Maßen bei einigen Themen mehr zuspitzen müssen. Polarisierung läßt Unterschiede deutlicher zutage treten. Deutlichere Unterschiede zwischen den Parteien wünschten sich auch Wähler der Mitte.

Die Rot-Grüne Bundesregierung hat in der neuen Wahlperiode Herkules-Aufgaben zu erledigen. Ohne Mitwirkung der Union wird sie scheiter
 
     
     
 
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