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Geldgeile Kirche

 
     
 
Noch nie wurde vor einer Bundestagswahl von so vielen prominenten Kirchenleuten direkte und indirekte Wahlhilfe zugunsten einer neuen politischen Ausrichtung geleistet wie für Rot-grün am 27. September. Vom Präsidenten des Diakonischen Werkes der Landes- und Freikirchen bis zur Präsidentin der Nordelbischen Synode, von der Hamburger Bischöfin bis hin zum EKD-Ratsvorsitzenden: Sie bekannten sich zu Positionen, die nur als Zustimmung für einen Politikwechsel interpretiert werden konnten.

Und als dann noch in der "Spiegel"-Ausgabe eine Woche vor der Wahl ein berlin-brandenburgischer Generalsuperintendent auf drei Seiten Überlegungen anstellte, ob nicht der Berliner Innensenator Jörg Schönbohm
(CDU) vom Abendmahl ausgeschlossen werden müßte, weil er (demokratisch legitimiert) in einer "Nacht- und Nebel-Aktion" bosnische Flüchtlinge abschieben ließ, da mußten sich endgültig CDU-Wähler stigmatisiert vorkommen – nach dem Motto: "Wenn ich diese Partei wähle, falle ich dann unter Kirchenzucht?"

Es wird lange dauern, bis die evangelische Kirche ihren in den letzten Wochen gefestigten Ruf los wird (falls sie es denn will), daß evangelische Kirche gleichbedeutend mit links sei. Das längst vergessene Bonmot eines SPD-Politikers: "Wir brauchen keinen Evangelischen Arbeitskreis wie CDU und CSU, unser Arbeitskreis ist die EKD", ist zwar übertrieben, wird aber jetzt wieder zitiert.

Kein einziger Bischof hat (bzw. in keiner einzigen Erklärung einer Kirchenleitung wurde) pro CDU/CSU Stellung genommen. Diese politische Einseitigkeit berührt merkwürdig, hat man doch einerseits schlechte Erfahrungen mit der SPD gemacht, die in Brandenburg als erstem Bundesland den konfessionellen Religionsunterricht als Pflichtfach abschaffte, andererseits aber CDU/CSU und insbesondere Helmut Kohl viel zu verdanken:

Er war es, der die Kirchenklausel in der Europäischen Union durchsetzte und damit dafür sorgte, daß die Kirchensteuer in Deutschland erhalten bleibt. Er ermöglichte besonders den Kirchen in den neuen Bundesländern viele finanzielle Privilegien. Aber die Kirchen wollen offensichtlich etwas anderes. Jetzt bekommen sie eine Regierung mit einer dezidiert kirchendistanzierten Partei – den Grünen –, die im Notfall unterstützt werden dürfte von der kirchenfeindlichen PDS. Ihr Hauptpartner wird eine Partei sein, die SPD, die zumindest kein enges Verhältnis zur Kirche hat, zumal prominente Protestanten wie Jürgen Schmude und Johannes Rau bei ihr keine große Rolle mehr spielen.

PDS und Grüne sind gegen die Kirchensteuer, die SPD ist auf jeden Fall keine große Befürworterin. Das gleiche gilt für den Religionsunterricht und die Militärseelsorge. Unter Rot-Grün hat die Kirche auf jeden Fall einen schwereren Stand als bisher. Warum wollten wichtige Repräsentanten trotzdem das jetzige Ergebnis?

Eine weitere Merkwürdigkeit: Zahlreiche Kirchenleitungen warnten zum wiederholten Male vor rechtsextremen Parteien. Doch alle zusammen brachten es gerade einmal auf drei Prozent. Niemand aber warnte vor der linksextremen SED-Fortsetzungspartei PDS, die in der Hauptstadt vier Direktmandate erobern konnte. Im Gegenteil: Ein Kirchenfürst fand sogar lobende Worte für die Partei, deren brutalem Atheismus die Kirchen es mit zu verdanken haben, daß ihr Mitgliederstand in der Ex-DDR von 94,5 Prozent 1946 auf jetzt 20 Prozent reduziert wurde.

Der Autor ist Gesamtverantwortlicher von idea – Informationsdienst der Evangelischen Allianz

 

 
     
     
 
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