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Es hatte fast etwas Rührendes an sich, als der bedrängte Jean-Bertrand Aristide vor internationalen Medien immer wieder abspulte, seine Gegner seien Terroristen und er, das legale Staatsoberhaupt, sei ein Streiter im Kampf gegen den Terror. Es war dies ein Appell an die Amerikaner, die ihm schon einmal - 1994 - durch Militärintervention wieder zur Macht verholfen hatten.
Diesmal hatte er kein Glück, denn knapp bevor die "Rebellen " (in europäischer Diktion) die Hauptstadt erreichten, steckten ihn die Amerikaner in ein Flugzeug und setzten ihn bei irgendeinem Häuptling in Westafrika ab. Dies hinterher eine "Entführung" zu nennen, war allerdings reichlich undankbar von Aristide: Die Amis hätten ihn doch auch nach Guantánamo verfrachten können, das nur 200 Meilen entfernt liegt und wo schon etliche Leute einsitzen, die früher ebenfalls Schützlinge und Söldlinge der USA gewesen waren.
Aristide hatte nicht unrecht, die Rebellen als Terroristen zu bezeichnen, denn unter ihnen befanden sich etliche Deserteure aus seiner eigenen Terror-Truppe. Und auch die Terror-Masche lag auf der Hand: Denn was tun heutzutage Politiker, die in innenpolitische Schwierigkeiten geraten? Sie betonen eifrigst, wie sehr sie die USA im "Kampf gegen den Terror" unterstützen! Es ist wie ein Glaubensbekenntnis, ja wie ein Stoßgebet, dessen Lautstärke auf den Grad der Bedrängnis schließen läßt.
Opportunismus und Speichel-leckerei werden durch die amerikanische Außenpolitik zweifellos gefördert. Diese selbst ist aber ziemlich geradlinig. Ihre Prinzipien finden sich bereits im politischen Testament von George Washington, der sogenannten Abschiedserklärung vom 17. September 1796. Dort werden die Nachfolger ausdrücklich davor gewarnt, sich in der Außenpolitik und speziell bei Bündnisverpflichtungen von Sympathien oder Antipathien leiten zu lassen. Im Klartext: Oberste Maxime ist der Nutzen für die USA, und trotz persönlicher Marotten und Dummheiten mancher US-Präsidenten wurde dies bisher konsequent durchgezogen.
Dem entspricht auch das Vorgehen in Haiti: Aristide einem Lynch-Mob zu überlassen hätte andere Marionetten verschreckt. Ihn weiter zu unterstützen hätte - wie einst im benachbarten Kuba - antiamerikanische Kräfte gestärkt. Also hieß es, abschreiben und abschieben. Und "abschieben" bezieht sich auch auf die Verantwortung für Haiti, das Armenhaus Lateinamerikas, wo nun Uno-Friedenstruppen "für Ruhe und Ordnung sorgen".
Zugleich wird wieder verdeutlicht: Terror ist nicht gleich Terror. Ob einem "bekennenden Anti-Terror-Kämpfer" im Ernstfall geholfen wird oder nicht, hängt davon ab, wer wen terrorisiert und wem das nützt oder schadet. Umgekehrt besteht auch keinerlei Grund zur Dankbarkeit für erhaltene Hilfe, denn selbst "humanitäre" Hilfe hat höchst eigennützige Motive: Daß nicht der Morgenthau-Plan, sondern der Marshall-Plan umgesetzt wurde, ist ausschließlich der Logik des kalten Krieges "zu verdanken".
Die Zeit nach Jean-Bertrand Aristide: US-amerikanische Militärs und auch einige französische Soldaten versuchen in Haiti wieder für Ordnung zu sorgen. Nach der gewaltsamen Vertreibung des umstrittenen, aber einst von den USA protegierten Staatschefs Aristide durch Rebellen muß Haiti nun eine neue Regierung bekommen. |
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