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Geraubter deutsche Kunst

 
     
 
Während in den vergangenen Wochen immer wieder in unseren Zeitungen etwas zu lesen war über die in die frühere Sowjetunion verschleppten deutschen Kulturgüter, schweigen sich die Medien aus über den zweiten Staat, der sich wichtige Teile des deutschen Kulturerbes angeeignet hat: Polen.

Polen will möglichst bald vollwertiges Mitglied der Europäischen Union
werden; es drängt in die NATO. Die Bundesregierung unter Kanzler Kohl beteuert, sie werde alles tun, um die polnischen Wünsche zu erfüllen, obgleich es uns vermutlich viel Geld kosten wird. Kein Wort hört man aber davon, daß die deutsche Regierung darauf drängt, Polen möge als Gegenleistung endlich die deutschen Kulturgüter zurückgeben, die seit mehr als 50 Jahren überwiegend in der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau zunächst verborgen gehalten wurden, seit einigen Jahrzehnten aber der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Polen weigert sich den Artikel 28 des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages aus dem Jahr 1991 zu erfüllen, in dem sich beide Länder verpflichteten, im Verlauf des Krieges auf das Gebiet des anderen Staates gelangte Werke von Kunst und Kultur zurückzuführen. Während es in der Bundesrepublik Deutschland keine polnischen Werke dieser Art gibt, befindet sich eine unheuere Anzahl kostbarster deutscher Bücher, Urkunden, Nachlässe, Manuskripte, Handschriften und Musikpartituren in Polen. Einen genauen Überblick über alle in polnische Hände gelangten deutschen Kulturgüter hat die Bundesregierung nicht, wie sie im vergangenen Sommer auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Frau Steinbach erklärte.

Während des Zweiten Weltkrieges wurden wertvolle Bestände deutscher Archive, Bibliotheken, Museen usw. aus gefährdeten Gebieten ausgelagert auch in die später von Polen annektierten deutschen Ostgebiete. Ein Teil davon wurde von den Sowjets verschleppt; der größte Teil aber ist nachweislich in polnischer Hand. Von einem kleineren Teil weiß man, daß er durch Kriegshandlungen vernichtet wurde, von einem anderen ist das Schicksal unbekannt. Stark betroffen ist die Preußische Staatsbibliothek, heute "Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz". In einer vorzüglichen Broschüre "Verlagert – verschollen – vernichtet – Das Schicksal der im Zweiten Weltkrieg ausgelagerten Bestände der Preußischen Staatsbibliothek" hat diese wichtigste deutsche Bibliothek 1995 einen Überblick über ihre Verluste gegeben.

Danach befinden sich in der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau Bestände der Preußischen Staatsbibliothek, die am Kriegsende ins schlesische Fürstenstein und nach Grüssau gebracht wurden. Dazu gehören mehr als 1400 Bände abendländischer mittelalterlicher und neuerer Handschriften, 19 000 orientalische und ostasiatische Handschriften und historische Drucke, Nachlässe bzw. Nachlaßteile von Alexander von Humboldt, Gustav Freytag, Hoffmann von Fallersleben und anderen. Zudem werden unter anderem 109 Handschriften Wolfgang Amadeus Mozarts von Polen unrechtmäßig zurückgehalten, darunter Teile der Opernhandschriften von "Idomeneo", der "Entführung aus dem Serail" und der "Hochzeit des Figaro".

In Krakau liegt die Handschrift der 7. Sinfonie von Beethoven und des 3. Satzes der 8. Sinfonie (die Sätze 1, 2 und 4 sind in Berlin). Acht Kantaten Johann Sebastian Bachs wollen die Polen ebenso wenig herausgeben wie seine Handschrift zum Klavierkonzert in A-Dur, des berühmten Doppelkonzerts für zwei Violinen in d-Moll, Choralvorspiele usw. Mendelssohn Bartholdys Musik zum "Sommernachtstraum", seine Schottische Sinfonie, Oratorien wie "Elias" und "Paulus" geben die Polen ebenfalls nicht heraus.

Polen begründet seine Weigerung mit der Behauptung, für die Zerstörung polnischer Kulturgüter während des Zweiten Weltkrieges seien einzig und allein die Deutschen verantwortlich. Als Ausgleich habe man sich der deutschen Kulturgüter bemächtigt.

Abgesehen davon, daß eine solche Handhabung völkerrechtswidrig ist, gibt es keine historisch fundierte Untersuchung über Verluste an polnischen Kulturgütern, die durch deutsche Willkürakte verursacht wurden. An deren Stelle treten propagandistische Pauschalbehauptungen.

Es ist in der Öffentlichkeit nicht bekannt, daß die Bundesregierung das Notwendige unternimmt, um Polen zur Erfüllung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages zu bewegen. Möglichkeiten hätte es genug gegeben. Jochen Arp

 
     
     
 
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