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Das kleine Imperium schlägt zurück. "Ablenkungsmanöver", sagt die FDP. Im großen Imperium CDU versucht man zu beschwichtigen. Milbradt und Schönbohm, die jeweils in Sachsen und Brandenburg im Wahlkampf stehen, kommt der bisher nur in den Medien ausgetragene Streit zwischen Stoiber, Merkel und We-sterwelle höchst ungelegen. Er schmälert die Wahlchancen in diesen Bundesländern, nutzt vermutlich nur der PDS und ist deshalb schon eine Dummheit. Im mittleren Imperium, der CSU, verhält man sich abwartend. Stoiber selbst dementiert nichts, läßt aber auch nichts bestätigen.
Die imperiale Dreierkonstellation der Opposition hat eines gemeinsam: Sie greifen alle nach den Sternen der Macht. Gemeint ist die Macht in Berlin und zumindest zwei, Merkel und Stoiber, wollen die ersten sein. Das ist legitim , entscheidend ist der Weg und, das scheinen alle drei zu vergessen, das Ziel. Denn die Macht selber ist nur ein Mittel, der innewohnende Sinn der Macht ist die Gerechtigkeit, wie Pieper schrieb und, wie Guardini es schon vor einem halben Jahrhundert in seinem Bändchen "Die Macht" forderte, ein Wille zu dieser Sinngebung.
Dazu gehöre auch, so Guardini, "daß man einen Menschen, der in Not ist, nicht erst bitten lasse, sondern auf ihn zugehe und ihm helfe, daß man eine Amtshandlung so vollziehe, wie es von der gesunden Vernunft und der menschlichen Würde her richtig ist, daß man eine Wahrheit ausspreche, sobald es für sie Zeit ist, auch wenn sie Widerspruch oder Lachen hervorruft, daß man eine Verantwortung übernehme, wenn das Gewissen sagt, man sei dazu verpflichtet." All das bilde einen Weg, der "Redlichkeit und Mut" erfordere und von dem niemand wisse, wie weit er in die Bereiche führe, wo "die Dinge der Zeit sich entscheiden".
Von solchen Gedanken sind die drei Imperialisten der Opposition weit entfernt. Keiner von ihnen bietet ein Konzept, um die drängendsten Fragen der Zeit zu beantworten. Dazu gehört heute die Frage nach der Zukunft dieser Gesellschaft angesichts der demographischen Verwerfungen, dazu gehört auch die Frage nach der geistigen Verfaßtheit angesichts des islamischen Schattens über Europa. Stoiber steht mit seiner klaren Position zur Türkei einer Antwort auf die zweite Frage noch am nächsten, aber es fehlt ihm der Mut, auch gegen den Relativismus anzustehen und sich klar zu einer Hierarchie der Werte zu bekennen. Es hat ihn 2002 den Wahlsieg gekostet, daß er sich nicht deutlich zu Ehe und Familie als natürlicher Lebensform bekannte, sondern sie nur als eine von mehreren gleich-gültigen Lebensformen sah. Diese Gleichgültigkeit in einer fundamentalen Frage des persönlichen Lebens hat viele bürgerliche Wähler enttäuscht und zur Stimmenthaltung bewogen.
Diese Gefahr besteht auch jetzt und zwar um so mehr, als die drängenden Fragen, die das demographische Defizit aufwirft, nur in dem Kontext Familie beantwortet werden können. Sein Hinweis auf den "Junggesellen in Bonn" und die (kinderlose) "Protestantin aus dem Osten" weist in diese Richtung.
Aber wie so oft bei Stoiber: Da wird laut gebellt und dann doch nicht gebissen. Wenn es darauf ankommt, hört er doch wieder auf Zeitgeistler wie den Berater Spreng, die ihm sagen, Familie sei passé, damit könne man keine Wahl gewinnen. Das mag sein. Aber mit der Mißachtung der Familie kann man Wahlen verlieren. Es waren keineswegs nur der Krieg und die Flut, und auch nicht nur die mangelnde Wahlaussage Westerwelles, die 2002 den Ausschlag gaben. Die Oppositionsspitzen sollten sich auch mal die Zahlen über die Wahlenthaltungen anschauen.
Für den Bürger stellt sich heute die Frage: Wer macht, wenn es schon kein durchdachtes gesellschaftliches Konzept gibt, die Reformen, die notwendig sind und die am wenigsten schmerzen? Oder wer hat ein kohärentes Konzept, das Zukunft verheißt? Wenig Schmerzen verursacht die Agenda 2010, die Macht in Händen von Rot-Grün hält momentan die Straße noch verhätnismäßig ruhig. Die Zukunft? Die kommt nach uns, denkt die Mehrheit. Und sollten wir schon drin sein, dann ist Ruhe die erste Bürgerpflicht. Mit einem Kanzler Stoiber wäre die Straße voll, auch wenn er statt Konzept nur harmlose Reformen anböte.
Im Moment bietet die Union nur ein paar Ideen und Taktiererei. Selbst wenn sie sich zu einem Konsens in der Gesundheit und bei Pflege durchringen würde, ihr fehlt der Mut zu der wirklich notwendigen Reform, die durchgehend alle gesellschaftlichen Bereiche erfaßte: eine den Familien gerecht werdende Steuerreform. Hier geschieht das größte, auch vom Bundesverfassungsgericht immer wieder genannte und selbst in Zahlen formulierte Unrecht. Aber die Politik bewegt sich nicht, sie ist, auch aus Mangel an eigener Betroffenheit, familienvergessen.
Nun darf man auch von Politikern verlangen, daß sie die Einsicht in die Notwendigkeit dieser Reform auch ohne persönlichen Bezug erkennen und entsprechend handeln, um "die Dinge der Zeit" zukunftsgerecht zu entscheiden. Aber dafür braucht es eben das, was Adenauer am Ende seines politischen Lebens als die wichtigste Tugend des Politikers bezeichnete: Mut! Solange er fehlt, bleibt der Griff nach den Sternen folgenlos, selbst wenn man mal einen Stern erobern sollte. Maria Klausner
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