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Einen gekörten Hengst zu züchten ist der Traum eines jeden Züchters. Doch der Weg zum Ziel ist steinig. Zunächst einmal müssen die Grundvoraussetzungen stimmen, das heißt, geeignete Zuchtanlagen, große Wiesen und gutes Stutenmaterial soll- ten vorhanden sein. Der Züchter muß viel Geschick bei der Suche eines geeigneten Vererbers beweisen. Eine ganze Menge Glück gehört dazu: die Stute muß tragend werden und ein gesundes Hengstfohlen zur Welt bringen. Das Neugeborene gehört mit etwa 1.600 Fohlen zum jährlichen Nachwuchs der Trakehner Pferde . Von diesen 800 Hengstfohlen werden ungefähr 200 von der Körkommission im vorhinein begutachtet. Zur Körung 2002 in Neumünster wurden 58 Junghengste eingeladen. So wird der Kreis der Ausgewählten immer kleiner. Hier zu den Ausstellern zu gehören ist schon ein großer Erfolg. Jetzt bedarf es noch sehr viel Glücks, eines Pferdes, das durch Qualität überzeugt, und ein bißchen Vitamin B kann auch nicht schaden, dann könnte der Traum in Erfüllung gehen: ein gekörter Hengst aus eigener Zucht. Dreizehn Hengste erreichten das Ziel, sich in der Zukunft weiter vererben zu dürfen. Die Selektion war streng. Die Pferde durchliefen einen Gesundheitscheck und mußten sich in verschiedenen Aufgaben beweisen; hierzu zählten zum Beispiel das Freispringen und die Pflastermusterung. Die sechsköpfige Körkommission beobachtete alle Kandidaten vier Tage lang und wählte die begabtesten, leistungsstärksten und bestgebautesten aus.
Dieser Jahrgang zeigte, daß sich die Trakehnerzucht immer mehr an Leistung orientiert, worunter allerdings die Typentwicklung keineswegs gelitten hat.
Wie an jedem Ort, wo sich Menschen gemeinsam mit einer speziellen Sache beschäftigen, entwickelt sich eine Fachsprache. Und wenn die Pferdeleute ihre Besten loben, hört sich das so an: Er stellt sich dar wie ein Charmeur von Scheitel bis zur Sohle. Aus einer Passerpaarung hervorgegangen, trabt es sich ins Herz der Zuschauer. Ein Tänzer der Sonderklasse, gelassen federnd schwebt er da-hin. Er tritt an, bleibt oben, marschiert davon. Ein Hengst mit viel Schnabel, perfekter Oberlinie, ausgestattet mit arabischem Flair. Es paßt einfach alles. Im Freispringen stellt er die höchsten Erwartungen in den Schatten. Hinzukommt ein sachliches Temperament, ein Interieur, wie ihn sich ein jeder wünscht. Eben ein Trakehner Pferd der besonderen Art. Mal ganz ehrlich, können sie sich ein solches Pferd vorstellen? Mit ungefähr diesen Attributen wurden die dreizehn Gewinner gelobt.
Unter tosendem Applaus wurde dann der Siegerhengst proklamiert: Elfengeist von Polarpunkt aus der Elfenflocke von Guter Stern. Züchter ist kein Geringerer als der Ehrenvorsitzende Dietrich von Lenski. Als er im Oktober 1999 starb, war seine Elfenflocke hochtragend. Den passenden Hengst hatte er noch aussuchen können, das Fohlen, welches dann im Januar 2000 geboren wurde, aber nicht mehr erleben können. Joachim Scharffetter übernahm die Mutterstute aus der berühmten Elfen-Familie aus dem Nachlaß. Elfengeist beeindruckte das Fachpublikum durch seine kolossale Nervenstärke ebenso wie durch Bewegungsdynamik und absolut unerschütterliche Taktsicherheit: ein Pferd, das sowohl dem Leistungsgedanken gerecht wird als auch durch Schönheit das Auge beeindruckt.
Den „Dietrich von Lenski-Gedächtnispreis 2002“ erhielt in diesem Jahr der 1917 im Kreis Insterburg geborene Peter Elxnat nach einer Laudatio des Vorsitzenden der „Stiftung Trakehner Pferd“, Hubertus Hilgendorff. Gewürdigt wurde sein überaus positiver Einsatz für die Erhaltung und das Weiterleben des ostdeutschen Warmblutpferdes Trakehner Abstammung sowie der ostdeutschen Traditionspflege. Dietrich von Lenski hatte den Trakehner-Züchtern den Auftrag mit auf den Weg gegeben: „Haltet die Trakehner-Familie zusammen!“
Die Auktion am Sonntag stand eher unter dem Motto Realitäten statt Rekorde. Die Versteigerungspreise waren keine Sensationen, sondern reell und überwiegend konstant, so sehr Auktionator Uwe Heckmann sich auch bemühte. „Macht Euch ’ne Freude zu Weih-nachten!“, „Habt Ihr keinen Mut mehr??!“, „Der kann’s wie kein anderer!“, es half nichts. Für die Trakehner ist das schon fast etwas außergewöhnlich, verließ doch hier schon ein Siegerhengst für 405.000 DM die Holstenhalle (Kennedy, 1991). Neunzig Pferde kamen zur Versteigerung. Der Siegerhengst Elfengeist brachte mit 80.000 Euro den Höchstpreis. Uwe Heckmann, der nach eigener Aussage „seit 23 Jahren im Zeichen der Elchschaufel werkelt“, erinnerte an Dietrich von Lenski, und meinte, er sitze dort oben auf der siebten Wolke und beobachte alles sachkundig. „Is ja doll!“ würde „Onkel Dieter“ jetzt sagen, vermutete jedenfalls Heckmann. Grand-Prix- und Bundeschampionatsreiterin Karin Burger nahm den zweieinhalbjährigen Hengst mit ins Gestüt Schloßäcker in Baden-Württemberg.
Durchschnittspreis bei den zwölf gekörten Hengsten war 36.166 Euro. Demgegenüber steht der Vorjahrespreis von umgerechnet 54.537 Euro. Die Versteigerung der nichtgekörten Hengste, Stuten, Fohlen und Reitpferde verlief den Erwartungen entsprechend.
Der Galaabend am Samstag wurde mit einem großen Dankeschön für 40 Jahre Gastfreundschaft von Neumünster und Schleswig-Holstein eröffnet. Den Zuschauern in der ausverkauften Holstenhalle wurde ein tolles und auch für den Laien spannendes Programm geliefert. Neben lustigen Aktionen, wie 22 töltenden Isländern, die mit ihren Reitern zu „Riverdance“-Figuren um eine Tanzgruppe zogen, stand auf der anderen Seite absolute Spannung, als Michael Freund mit seinem Vierspänner Dinge möglich machte, die alle anderen für unmöglich hielten.
Hier in Neumünster feiern oft Pferde ihren Karrierestart, die später auf internationaler Ebene für das Ansehen des Trakehner Pferdes Werbeträger sind. Und nicht nur für die Trakehner, sondern auch immer ein bißchen für Ostdeutschland mit. Mal ganz ehrlich: man hört auf keiner Veranstaltung außerhalb der Freundeskreis Ostdeutschland so oft das Wort Ostdeutschland wie in Neumünster auf dem alljährlichen Hengstmarkt. „Hoch, höher, Hohenstein“ - wie es so schön hieß - ist ein Exemplar dieser Sorte. Dieser Caprimondsohn wurde zum Prämienhengst des Jahrs 2002 gewählt. Im Jahr 1995 wurde zum ersten Mal der Titel „Trakehnerhengst des Jahres“ vergeben. Der erste Preisträger war damals Mackensen. Jedes Jahr berät seitdem der Gesamtvorstand nach Vorschlägen des Zuchtleiters über bedeutende und nachhaltig einflußreiche Vererber der Trakehner Zucht.
Erfolgreicher Sport wurde geehrt: Ein Höhepunkt war die Verabschiedung vom im Dressursport höchst erfolgreichen Trakehnerhengst Partout unter Anky van Grunsven.
Der Springreiter Jochen Fromberger, erfolgreich mit seinem Trakehnerhengst Long Deal, bekam für zehn Siege in Springprüfungen der Klasse S das Goldene Reitabzeichen.
Alles in allem kann nur festgehalten werden, daß es sowohl für die Trakehner-Familie als auch für unbeteiligte Zuschauer ein erfolgreiches und interessantes Wochenende war. Und wer von den Besuchern Glück hatte, der konnte sogar eine „Ostdeutschlandtüte“ - gefüllt mit lauter Dingen rund um Ostdeutschland - der Freundeskreis Ostdeutschland mit allem, was das Herz begehrt, am Eingang ergattern. Also, ein Besuch lohnt sich immer.
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