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Als durch die Medien bekannt wurde, daß ein Schüler an einer Hildesheimer Berufsschule monatelang von seinen Mitschülern tyrannisiert wurde, ging ein scheinbar überraschter Aufschrei durch das Land. Nur wenige Stunden danach wurden weitere Fälle bekannt, und die Nachrichtensendungen der öffentlichen wie privaten Sender überschlugen sich mit ihrer Bericht-erstattung über die unglaublichen Vorfälle an Deutschlands Schulen: Schüler, die erpreßt und verprügelt wurden, denen glühende Zigarette n auf der Haut ausgedrückt wurden, während im Nebenzimmer angeblich ein Lehrer die Hilfeschreie der Kinder ignoriert hatte.
Heute, nur wenige Wochen später, scheint alles vergessen, dabei hat sich nichts geändert. Nur für die Medien ist das Thema, zumindest bis zum nächsten spektakulären Fall, erst einmal wieder ad acta gelegt. Auf der Internetseite www.gewalt-an-der-schule.de findet man allerdings unter der Rubrik "News" die neuesten Fälle zum Thema Gewalt an der Schule, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern EU-weit. Diese Internetseite läuft im Rahmen des EU-Projektes "Visionary", das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Fälle von Gewalt an Schulen zu sammeln und zu dokumentieren. Im Hintergrund versuchen Wissenschaftler, die Gründe für die nicht zu leugnende Zunahme von Gewalt unter Schülern zu erklären. Zwar gab es schon immer Prügeleien, vor allem unter den Jungen, aber was einst nur rivalisierende Rauferei war, ist heute meist mit Erpressung verbunden. Selbst Waffen wie vor allem Messer kommen dabei nicht selten zum Einsatz.
"Visionary" ist bei weitem nicht das einzige Projekt, das sich mit dem Thema Gewalt in der Schule auseinandersetzt. Auch "JuST - Jugendliche schlichten Streit", ein Projekt des Arbeitskreises "Neue Erziehung e. V.", nimmt sich des Themas an. Der mit dem HanseMerkur Preis für Kinderschutz im Jahr 2003 ausgezeichnete Berliner Arbeitskreis bildet Schüler zwischen 13 und 18 Jahren zu Streit-schlichtern aus, die dann sowohl als Vorbild für gewaltfreien und toleranten Umgang untereinander als auch intervenierend in Konfliktsi- tuationen auftreten. An den 60 Schu-len, an denen Streitschlichter vom Projekt JuST seit 1997 ausgebildet wurden, ist die Zahl der Schulverweise deutlich zurückgegangen. Doch JuST ist kostspielig. Die Kosten für einen Kurs betragen 4.000 Euro, von denen die Schule selbst 2.000 Euro tragen muß. Die sind in Zeiten knapper Kassen schon manchmal zu viel. Gerade Schulen, deren Schüler aus sozial schwachen Familien kommen, fehlt aufgrund fehlender spendenbereiter Eltern das Geld. Bedauerlicherweise sind gerade diese Jugendlichen besonders gewaltbereit.
In elf Unterrichtsstunden befassen sich die von der Schule für das Projekt ausgesuchten Jugendlichen mit den verschiedenen Formen von Gewalt. Ob verbale Gewalt in Form von Spott und Hohn, Erpressung oder körperliche Gewalt wie Schlagen, Treten, Spucken - all das sind Arten von Gewalt, die heute zum Alltag in den Schulen gehören. Besonders an diesem Projekt ist, daß sich die rund 15 teilnehmenden Schüler gleich zu Beginn des Kurses vertraglich dazu verpflichten müssen, in Sachen Gewalt ab sofort als Vorbild für die Klassenkameraden zu fungieren. Das heißt aber auch, daß keine besonders gewaltbereiten Jugendlichen dazu gezwungen werden können, an dem Projekt teilzunehmen.
Gut so, denn Gewalt läßt sich nicht mit Gewalt wirksam unterdrücken. Die Schüler müssen selbst die Vorteile des Streitschlichtens erkennen. "Streit ist Streß", lautet denn auch die Erkenntnis eines Teilnehmers, und selbst wenn diese Erkenntnis auf den ersten Blick nicht sonderlich spektakulär zu sein scheint, so ist sie, wenn sie erst einmal in die Köpfe der gewaltbereiten Jugendlichen eingedrungen ist, ein Schritt in die richtige Richtung. Fritz Hegelmann
"JuST - Jugend-liche schlichten Streit": Dieses Projekt des Arbeitskreises Neue Erziehung e.V. in Berlin wurde mit dem HanseMerkur Preis für Kinderschutz ausgezeichnet. Foto: HanseMerkur
Freundschaft von Johann Gottfried Herder
Wie der Schatten früh am Morgen
ist die Freundschaft mit dem Bösen:
Stund auf Stunde nimmt sie ab.
Aber Freundschaft mit dem Guten
wächset wie die Abendschatten,
bis des Lebens Sonne sinkt.
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