|
Tiefe Gelehrsamkeit, dichterisches Naturverständnis und scharfe Beobachtung" bescheinigten Wissenschaftler schon einem seiner ersten Bücher, einer Reisebeschreibung von Korsika. Ferdinand Gregorovius hatte die Insel 1852 erwandert und seine Eindrücke in historischen Skizzen und Beschreibungen festgehalten: "Und hier steht der Wanderer im freudigen Besinnen still und dankt den guten Mächten, die schirmend ihn geleiteten. Doch wird es dem Gemüte schwer, von dem wunderbaren Eilande zu scheiden. Wie ein Freund ist es mir geworden. Die stillen Täler mit ihren Olivenhainen, die zauberischen Golfe, die ätherfrischen Berge mit ihren Quellen und Pinienkronen, Städte und Dörfer und ihre gastlichen Menschen, vieles haben sie dem Verstande wie dem Herzen zum dauernden Gastgeschenk gegeben
"
Verstand und Herz, oder genauer, exakte Wissenschaft und dichterische Freiheit kommen denn auch in den anderen Werken des Neidenburger Historikers auf beispielhafte Weise zu Wort. Der in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts in Königsberg lehrende Germanist Josef Nadler betonte einmal, Gregorovius habe mit dem Korsika-Buch eine neue literarische Gattung begründet, indem er Land und Leute vor dem geschichtlichen Hintergrund dargestellt habe. Auch Prof. Dr. Waldemar Kampf, Gregorovius-Experte, hob Jahrzehnte später die Bedeutung des Korsika-Buches hervor und zählte es zu dem Besten, was der Neidenburger geschrieben habe.
Besondere Beachtung aber fand Ferdinand Gregorovius, der vor 175 Jahren, am 19. Januar 1821, das Licht der Welt erblickte, mit einem Werk, dessen Niederschrift er 1856 begann und 1872 vollendete: "Die Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter"; ein Werk, das ihm als ersten Deutschen und dazu noch Protestanten die Ehrenbürgerwürde der Stadt Rom einbrachte.
Am 2. Oktober 1852 ("41/2 nachmittags") hatte der Ostpreuße römischen Boden betreten. "Mein erster Gang war aufs Kapitol und Forum; noch spät ins Kolosseum, darüber der Mond stand. Worte habe ich nicht zu sagen, was da alles auf mich einstürmte
" Zwei Jahre später schrieb er an seinen Königsberger Lehrer Karl Rosenkranz: "Hier nun in Rom steht der Mensch vor der Geschichte still wie vor der göttlichen Notwendigkeit und legt stumm seine Waffen und auch seine Schmerzen nieder
Rom hat mich, so darf ich sagen, in das Menschliche gefördert, und wenn ich auch nichts mehr leisten sollte, als diese innere Welt zu veredeln, so waren diese Jahre schon Ewigkeit und ein Kultus, da der Mensch aus dem Profanen in das Mysterium aufgenommen wird
"
22 Jahre blieb Ferdinand Gregorovius in Rom; eine Gedenktafel an seinem Wohnhaus in der Via Gregoriana Nr. 13 erinnert heute an den Historiker und Ehrenbürger der Stadt. 1874 kehrte er nach Deutschland zurück und ließ sich in München nieder, wo er am 1. Mai 1891 starb.
Immer wieder hat der Ostpreuße, dessen Werke noch heute neue Auflagen und interessierte Leser finden, vor seinem Tod den Mittelmeerraum besucht. Seine Münchener Wohnung beschrieb er einer in Rom lebenden Freundin: "Wenn Sie meinen Salon sähen, würden Sie Genugtuung empfinden, denn wie einfach er auch ist, so weht doch durch ihn ein Hauch der Künste Italiens
Und so lebe ich hier inmitten der römischen Illusionen und Erinnerungen
" Dennoch wußte er stets um seine Herkunft und die Bedeutung seiner Wurzeln in Ostdeutschland. Beim Betrachten einer Abbildung des Neidenburger Schlosses bemerkte er: "Ohne jene Neidenburger Rittertürme hätte ich vielleicht die ,Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter nicht geschrieben." Als Gregorovius 1860 noch einmal seine Heimat besuchte, merkte er jedoch auch, wie bedeutsam sein Wirken in Italien für ihn war: "Manchmal dringt die Stimme der Vergangenheit zu mir, so im Rauschen des Juditter Waldes, wo ich hingefahren war. Die acht Jahre in Rom sind eine große, ja unermeßliche Epoche für mich gewesen
" Peter van Lohuizen
|
|