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Vor sechs Jahren kam der Film "Sonnenallee" in die Kinos. Er handelte von Geschichtchen, die sich im früheren Ostberlin abgespielt haben. Der Streifen hat die Ostalgiewelle losgetreten. Deswegen glauben Nicht-Berliner mitunter, die Sonnenallee liege im Ostteil der Stadt. Das Gegenteil ist wahr, und es wird in der Einleitung des Films auch gesagt: Nur der sehr viel kleinere Teil der Sonnenallee gehörte zur sowjetischen Zone. Der größere dagegen lag und liegt im Westen - in Neukölln , Berlins sozialem Brennpunkt Nummer Eins.
Der Ostermontag ist ein wunderschöner Frühlingstag. Auf der Sonnenallee findet das alljährliche Straßenfest statt. Das Ganze ist die Mutter aller Multikultifeiern. Deutsche Geschäfte gibt es hier kaum noch. Die Geschäftswelt wird von zwei rivalisierenden arabischen oder türkischen Großfamilien beherrscht: den Umkalthums und den El Salams. Egal ob Bekleidung, Bäckerei oder Café - es sind immer wieder abwechselnd diese beiden Familiennamen, die im Namen der Geschäfte vorkommen: Orientcafe El Salam, Snack El Salam, Friseursalon Umkalthum. Selbst der Copyshop hat einen arabischen Schriftzug in seiner Außenwerbung.
Oder ein Bäcker der Familie Umkalthum: An der Wand prangt ein Schild, auf dem auf Deutsch zu lesen steht: Partyservice, Geburtstagstorten, Hochzeitstorten und Baklava. Was immer Baklava auch sein mag, die Umkalthums haben es im Angebot. Und Torten für die deutsche Parallelgesellschaft.
Zu den wenigen Deutschen, die noch nicht weg sind, gehört Detlef Koch. Der 55jährige betreibt "Kochis Shop - Tausch wie in alten Zeiten". Bei ihm werden Sinclair-, Perry-Rhodan und Konsalik-Hefte gekauft und getauscht. Auch das gute alte Landser-Heft hat er im Angebot. Und Spielzeug.
Als ein Mann mit einer Regenbogenfahne am Revers sich für ein Modell eines VW-Käfers interessiert, ist Koch zur Stelle: "Fünf Euro", sagt er zu dem Mann in Lederklamotten. Dem Kunden ist das zu teuer, und er wendet sich ab.
Dafür hat Koch jetzt Zeit, um von seinem Geschäft zu erzählen. "Ja, ich bin einer der letzten Deutschen hier", sagt er traurig. Nein, von der Eberhard-Klein-Oberschule, die als erste Schule in ganz Deutschland komplett deutschfrei ist, hat er noch nicht gehört. "Jaja, Kreuzberg - da ist es noch schlimmer", fällt ihm dazu nur ein.
Über seine Nachbarn spricht er überwiegend freundlich. Die sind alle sehr nett. "Ich habe nur mit den Männern zu tun, die Frauen bekomme ich fast nie zu Gesicht", antwortet er auf eine entsprechende Frage. Angesprochen auf den El Salam / Umkalthum-Komplex reagiert er sehr zurückhaltend. "Also als Mafia, so wie Sie, würde ich das nicht bezeichnen", sagt er, und man sieht ihm dabei an, daß er flunkert.
In einer riesigen Schaubude läuft eine Tombola. Der Hauptpreis ist ein Fahrrad. Es gibt auch einen kleinen Fernseher zu gewinnen, ein Schnappi-Stofftier und einen roten Stofftiger. Aber was ist in dem schwarzen Karton mit dem Playboylogo drauf? "Playboy Burning Sihlouette Neon Light" steht drauf. Was ist das wohl? "Steht doch druff", brüllt der genervte Losverkäufer!
Zwei Polizisten laufen über das Fest. Der eine hat ein etwa fünfjähriges Kind asiatischer Herkunft auf dem Arm. Es weint. Ob sie wohl die Eltern suchen? "Ja", antwortet die weibliche Kollegin von dem Polizisten mit dem Kind auf dem Arm, eine resolute Frau. "Und wo kommst Du her?" Aber das Kind antwortet nicht.
An einem Stand gibt es Stringtangas für einen Euro. Zwei Türkinnen sehen sich das genauer an. Wenn das der Imam sehen würde! An einem anderen Stand werden T-Shirts verkauft. Mit lustigen Sprüchen drauf wie "Ich Chef, du nix" oder "Am Morgen ein Joint, und der Tag ist dein Freund". Oder einfach nur ein FDJ-Logo.
Daneben preist Joghurt-Jürgen seine Produkte an ("Die Tüte voll Joghurt und Quark - nur fünf Euro, stark!"). Er steht mit seinem Stand vor einem der wenigen deutschen Geschäfte, die bereits vor längerer Zeit dichtgemacht haben: Das Angelhaus Neukölln ist seit mindestens einem halben Jahr platt. An den Fensterscheiben kleben Plakate. Eines der älteren trägt die Überschrift "Weg mit Hartz IV - das Volk sind wir".
Am Ende des Festes angekommen, gibt es noch ein freudiges Ereignis: Die beiden Polizisten haben die Eltern des Kindes, das sich verlaufen hat, gefunden. Es weint immer noch. Ob vor Freude oder aus Trauer, ist nicht in Erfahrung zu bringen. Weder das Kind noch seine Eltern sprechen Deutsch.
Buntes Treiben: Mit der warmen Jahreszeit nimmt auch die Zahl der Straßenfeste wieder zu. Anbieter von kulinarischen Köstlichkeiten, alten und neuen Textilien sowie buntem Schnick-Schnack ringen um das Interesse der Kundschaft. |
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