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Erstmals seit den siebziger Jahren liegen die Unionsparteien bei Umfragen in der Nähe von 50 Prozent, weshalb die Union mit einer großen Koalition von SPD und CDU/CSU, die nächstes Jahr gebildet werden könnte, liebäugelt. Offen erklärten die CDU-Ministerpräsidenten bei der ersten Beratung des Sparpakets in der Länderkammer, sie seien im Vermittlungsausschuß zur Zusammenarbeit mit der SPD bereit. CDU-Chef Schäuble und sein Stellvertreter Rühe sprachen bereits von einer "Großen Sachkoalition", die mit der SPD auf der Ebene des Bundesrates gebildet werden könnte.
Aus der CSU kamen noch deutlichere Signale. Landesgruppenchef Michael Glos lobte Verteidigungsminister Scharping als eine der verläßlicheren Figuren in der SPD-Spitze. In der Tat: Unionsleute können sich kein Bündnis im Bundestag mit Schröder vorstellen, wohl aber mit Scharping, der als Sozialdemokrat alter Schule gilt und für den Bündnisse mit den Grünen oder gar ein Zusammenspiel mit der PDS schwer erträglich wären.
Schröder hat sich im Moment im ehemaligen DDR-Staatsratsgebäude in Berlin, seinem Amtssitz bis zur Fertigstellung des Kanzleramtes, regelrecht verschanzt. Seine Strategie besteht in der Durchsetzung des Sparpakets. Das müsse, so der Kanzler in der ihm oft eigenen platten Argumentationsweise, "durchgesetzt werden, weil es durchgesetzt werden muß". Im Falle des Erfolges des Paketes, das nicht nur höhere Steuern auf Energie und Kürzungen bei Rentenerhöhungen, sondern auch bessere Leistungen für Familien vorsieht, glaubt Schröder wieder populär zu werden. Den ohnehin zu erwartenden Rückgang der Arbeitslosenzahlen (wegen des Rückgangs der Zahl der Erwerbstätigen) wird der Kanzler sich als Erfolg ins Stammbuch schreiben.
Zugleich plant Schröder tiefgreifende Veränderungen in seiner Partei. Den Machtverlust im Saarland empfand er nicht als tragisch, weil er auf diese Weise seinen Widersacher Klimmt ins Kabinett holen und damit einbinden konnte. Letztlich wäre selbst ein Verlust der SPD-Regierungen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen aus Schröders Sicht nicht existenzbedrohend, denn auch Kohl regierte über ein Jahrzehnt erfolgreich gegen eine SPD-Mehrheit im Bundesrat.
Daß ihm Scharping in Partei und Kabinett nicht zu gefährlich wird, dafür will Schröder schon sorgen. Kürzlich wurde er mit folgender Bemerkung über Oskar Lafontaine und Rudolf Scharping zitiert: "Den einen habe ich geschafft, den anderen schaffe ich auch noch." Denn Schröder verübelt Scharping vieles, etwa seine Entlassung als wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD, als Scharping noch Parteivorsitzender war. Nachdem er sich in vertraulicher Runde als Reservekanzler empfohlen hatte und Schröder davon erfuhr, sollte Scharping zur Nato strafversetzt werden, doch er weigerte sich. Nachdem er Scharping in der SPD-Programmkommission mehrere Bewacher an die Seite stellte, sieht es zur Zeit danach aus, als ob Schröder den Verteidigungsminister über Haushaltskürzungen bei der Bundeswehr zum Rücktritt zwingen könnte. Spätestens 2000, wenn wieder mehrere Milliarden eingespart werden müssen, dürfte der Druck auf Scharping so groß werden, daß ihm nichts anderes als der Rücktritt übrigbleiben wird so jedenfalls die Spekulation.
Dann träfe Schröders alter Satz "Ich bin das letzte Aufgebot der SPD" zu. Am liebsten würde Schröder mit den Grünen weiterregieren. Er weiß aus Erfahrung, daß die Ökopartei am leichtesten zu handhaben ist viel leichter als die FDP oder die CDU. Doch die Grünen leiden an politischer Schwindsucht: sie sind eine rein westdeutsche Wohlstandspartei geblieben. Außenminister Joseph Fischer hat das erkannt und wollte das glücklose Führungsduo Gunda Röstel und Antje Radcke stürzen.
Fischer zeigte damit, wie weit er sich von der grünen Basis entfernt hat. Er hätte alles kritisieren dürfen, nur nicht Todsünde die beiden Frauen an der Spitze. So gilt für das Innenleben der Grünen der Eindruck, den sie auch in der Regierungspolitik machen: völlig reformunfähig. Unter diesen Prämissen könnte Rotgrün tatsächlich eine Fußnote deutscher Geschichte bleiben.
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