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Im Westen bald Neues?

 
     
 
Schon in den ersten Wochen nach der Osterweiterung der EU wird deutlich, daß Moskau weiterhin einen Kurs der Annäherung an Europa verfolgt. Oberste Priorität hat sowohl die wirtschaftliche als auch die politische Aufwertung Rußlands vor Europa und der Welt. Vor kurzem kündigte Premier Fradkow an, schon im Herbst dieses Jahres den gegenseitigen visumfreien Verkehr für EU-Bürger und Russen verkünden zu können. Von EU-Seite wurde diese Sicht bislang nicht bestätigt.

Um Rußland zu modernisieren
, muß seine Führung die Zusammenarbeit mit der EU und dem Westen insgesamt ausbauen. Eine andere Alternative hat Rußland nicht. Ein erklärtes Ziel ist, bis 2007/ 2008 einen gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraum zu schaffen. Obwohl die russische Regierung in den vergangenen Jahren für mehr Transparenz gesorgt hat und bessere ökonomische Bedingungen bietet, ist das Land von einer Demokratie noch meilenweit entfernt, ein Umstand, der es bisher schwierig gemacht hat, die Grundlage für eine gute Zusammenarbeit zu bilden, nämlich Vertrauen. Eine Chance, die Zusammenarbeit zwischen Rußland und der EU positiv zu stimulieren, wäre eine engere Kooperation im Baltikum, bei der neben den direkten Nachbarn Polen, Litauen, Lettland und Estland auch Deutschland eine größere Rolle zufallen könnte.

Russische Politologen sprechen von den "Baltischen Veränderungen". Professor Sergej Koslow, Vizesprecher der Königsberger Gebietsduma und Politikwissenschaftler, wirft Moskau grobe Fehler im Umgang mit der Exklave vor. Indem das Zentrum von einer "entfernten Region des Landes" spreche, werde das Gebiet auf eine Stufe mit Regionen wie Sachalin und Kamtschatka gesetzt, die tatsächlich nur sehr schwer zu erreichen sind. Doch das Gebiet befindet sich in Europa und ist von europäischen Staaten umgeben, durch deren Territorien die Transportwege gehen. Moskau trage der Tatsache keine Rechnung, daß das Alltagsleben von diesen Umständen beeinflußt werde und die Region von der Gesetzgebung und den Normen seiner Nachbarstaaten abhängig sei. Koslow schlägt vor, von einem "ausländischen Gebiet" zu sprechen, weil seine Situation einzigartig sei. Für das Gebiet seien demnach auch außergewöhnliche Schritte notwendig, um es an die Gegebenheiten anzupassen.

Im Königsberger Umland sind zirka 2.000 Firmen ansässig, die bereits über enge Wirtschaftsbeziehungen zu den Nachbarländern verfügen. Schon für sie und für die mit diesen verbundene Verbesserung der Lebenssituation der Menschen sei die Einführung eines Pilotprojekts Königsberg notwendig. Doch Moskau will davon nichts wissen. Nach altbewährter sowjetischer Manier benutzt die Regierung das mittlere Ostdeutschland als Druckmittel, um seine Interessen gegenüber dem Westen nach und nach durchzusetzen.

Koslow bezeichnet die Exklave als "Geisel" Moskaus. Dabei ignoriere Rußland seine große historische Chance, die die Erweiterung der EU und die damit verbundene Situation um das Königsberger Gebiet eröffnet, die Beziehungen zur EU auszubauen. Dies wäre am besten möglich durch die wirtschaftliche Integration des Landes, zumal Dreiviertel des gesamten Exports in europäische Nachbarländer gehen. Schon heute verfügen Rußland und die EU über wichtige gemeinsame Verkehrs- und Wirtschaftsadern: Eisenbahnverbindungen, Straßen, Öl- und Gasleitungen dienen der beiderseitigen Versorgung. Technologisch sei Europa Rußland zwar weit voraus, so Koslow, doch benötige Europa die russischen Rohstoffe und Energieressourcen. Heute stelle sich die Situation für Rußland viel positiver dar als vor ein paar Jahren, denn wenn das Land damals noch mit jedem Staat einzeln verhandeln mußte, gäbe es nun die Möglichkeit, zwischen Rußland und der EU bilaterale Verträge abzuschließen .

Ein Hinderungsgrund sei die Frage eines geplanten Sicherheitsrates der Russischen Föderation, die wohl bald geklärt sein dürfte. Das Königsberger Gebiet stelle in Sicherheitsfragen eines der Hauptprobleme dar; erst, wenn diese positiv gelöst werden könnten, würden auch globale Verträge mit der EU wahrscheinlich, was größere wirtschaftliche und politische Dividenden mit sich bringen würde. Koslow fordert von Moskau ein Gesetz für ein ausländisches Territorium, doch bis jetzt hält Moskau an seiner Politik des sanften Drucks fest. Koslow befürchtet daher, daß das Königsberger Gebiet das gleiche Schicksal ereilen könnte wie seinerzeit Alaska, das an die USA verkauft wurde.

Neben- statt Miteinander: Putin und sein Außenminister Michail Fradkow (l.) bauen in der Politik zur EU eher auf bewährte Druckmittel als auf Wege eines zukunftsweisenden Umgangs miteinander. EU-Handelskommissar Pascal Lamy (r.) bekommt es zu spüren.

 
     
     
 
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