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In der Berliner U-Bahn gibt es kleine Fernseher, in denen ein Programm aus Nachrichten, Kulturtips und Werbung läuft. "Berliner Fenster" heißt das.
In dieser Woche laufen Kurzfilme im "Fenster", deren fiktiver Inhalt die Erlebnisse von Ausländern in Deutschland wiedergeben soll. Die Filme waren zum Wettbewerb "Digitales" eingereicht worden. Gewinnerin war Anja Kreisel, eine 26jährige Filmstudentin, mit ihrem Kurzfilm "Charge".
Wer veranstalt et solche Filmfeste? In Berlin gibt es ein Netzwerk von staatlichen Multikulti-Organsationen, deren Zweck sich in der Organisation von derlei zweckgebundenen Festivitäten erschöpft. Auf Steuerzahlers Kosten versteht sich.
Eine dieser Organisationen ist die "Berliner Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit" (BGZ), die nach eigenen Angaben Geld von folgenden Institutionen der EU erhält: Europeaid, Europäischer Sozialfonds, Leonardo da Vinci und ETF. Dazu kommt Geld aus mindestens drei Bundesministerien.
Mit diesen Mitteln fördert die BGZ Projekte der Initiative "Pro-Integration". Diese Initiative wird wiederum bezahlt von der EU, dem Arbeitsministerium und der Initiative Equal. "Die innovative Energie von Pro-Integration ist die Integration durch interkulturelles Mainstreaming", sagt Hilde Hansen, die Chefin der BGZ.
Zu den Projekten, die im Rahmen von Pro-Integration sonst noch gefördert werden, gehören beispielsweise das "Interkulturelle Training zur Erhöhung der interkulturellen Handlungskompetenz", das "Matching für Aussiedlerinnen und Migrantinnen aus Osteuropa", die "Existenzgründungsberatung für Akademiker mit Migrationshintergrund", die "Ausbildung von Integrationsbegleitern" oder die "Qualifizierung von Asylbewerbern".
In dem Wirrwarr findet sich kein normaler Steuerzahler mehr zurecht, obschon hier sein Geld ausgegeben wird. Kohorten hauptamtlicher Mitarbeiter bedienen sich aus einem bunten Arsenal lokaler, nationaler und europäischer "Fördertöpfe", um unentwegt Projekte anzuschieben wie jenen Filmwettbewerb.
Aber wofür eigentlich? Die Filme, die bei Digitales gezeigt und prämiert werden, sollen dazu anregen, über Rassismus nachzudenken, heißt es. Denn: "Alltäglicher Rassismus ist in Berlin und EU-weit verbreitet", weiß Susanne Ahlers. Die frühere Frauenbeauftragte von Wiesbaden ist Staatssekretärin beim Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen in Berlin. Sie eröffnet den Wettbewerb im Kaufhaus Dussmann.
Weil unter den Migranten in der Stadt 40 Prozent Arbeitslosigkeit herrsche, müsse um so mehr für die Integration der Ausländer auf dem Arbeitsmarkt getan werden, fordert sie. Zum Beispiel bei der "Tagesschau", findet Ahlers. Daß es noch immer keine Tagesschausprecherin mit Migrationshintergrund gibt, sei der Beweis dafür, wie weit der "Rassismus in unserer Gesellschaft reicht".
Eben diesen Rassimus zu bekämpfen ist auch das Hauptanliegen von Günter Piening. Berlins Ausländerbeauftragter saß in der Jury und nahm an der Digitales-Filmverleihung teil, mußte dann aber gleich weiter in sein Büro in der Potsdamer Straße. Dort stellte Piening am frühen Nachmittag eine Studie vor. Kernaussage: "Medienunternehmen verhalten sich hier nicht anders als die anderer Branchen: Grundsätzlich räumen sie allen Bewerbern gleiche Chancen ein, im Ergebnis aber stellen sie wenige Migranten ein."
Indes betreiben 40 Prozent der untersuchten Unternehmen sogar extra Förderprogramme für Ausländer. Piening konnte offenbar trotz der Suche mit Lupe keine Beweise für "rassistische Personalpolitik" finden und floh in Phrasendrescherei, um seinen Vorwurf gegen die Wirklichkeit zu verteidigen. Die Firmen "nutzen die interkulturellen Potentiale zu wenig", lautete seine magere Bilanz.
Der Gewinner-Beitrag beim Filmfest, "Charge", lästert übrigens massiv über diesen ganzen angeblichen Rassismus: Gezeigt wird ein Schwarzer, der vor weißen "Glatzköpfen" davonrennt. Die Verfolger werden von johlenden "Normalbürgern" noch angefeuert. Ein rassistischer Übergriff? Dann Perspektivenwechsel: Der Farbige kickt einen Fußball vor sich her, den er auch ins Tor befördert. Danach ist der Torschütze der gefeierte Held.
Die Regisseurin Anja Kreisel äußerte sich zu ihrem Filmdebüt: "Manch einer mag den Film als ‚romantisch verkitscht belächeln, aber es ist meine Wunschvorstellung von unserer Gesellschaft."
Ihre Idee ist nicht neu. Vor zehn Jahren hat ein englischsprachiger Nachrichtensender die gleiche Szenerie schon einmal filmisch umgesetzt. Aber neu ist, daß die Anti-Rassismus-Industrie selbst darüber lacht - daß nämlich das Bild vom verfolgten, diskriminierten und unterdrückten Zuwanderer in den allermeisten Fällen nicht aufrechtzuerhalten ist, sobald der Zuschauer sich die Mühe macht, genauer hinzuschauen.
Schlußszene aus dem Kurzfilm "Solidarity": Jetzt laufen die prämierten Integrationsstreifen in der Berliner U-Bahn. |
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