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Es ist normal, daß eine Weltmacht darüber diskutiert, wie man ein Regime beseitigt, das Massenvernichtungswaffen herstellt. Das geschieht unter der Präsidentschaft Bush auch nicht zum ersten Mal. Schon der Vorgänger Bill Clinton war mit der öffentlich debattierten Frage konfrontiert, ob man Saddam Hussein gewähren lassen solle. Solche Fragen werden in der Mediendemokratie Nummer eins dieser Welt, eben in den Vereinigten Staaten von Amerika, auch immer unter innenpolitischen, sprich wahltaktischen Aspekten betrachtet. Auch das ist legitim. Clinton beließ es vorerst bei der Diskussion und bei gelegentlichen Nadelstichen, indem die eine oder andere irakische Radarstation ausgeschaltet, also zerstört wurde. Man zeigte die Krallen, unterließ aber den Sprung. Nicht anders verhält sich bislang George Bush. Der Unterschied zu Bill Clinton ist: Zwischen beiden liegt der elfte September, und Bush ist ent- schlossen, Saddam Hussein aus dem Verkehr der internationalen Politik zu ziehen.
Es ist normal, daß eine Bundesregierung sich Gedanken darüber macht, selbst lautstark, ob es im Vorderen Orient Krieg geben und ob Deutschland sich in der einen oder anderen Form daran beteiligen soll. Es ist auch legitim, daß man das Ergebnis eines Entscheidungsprozesses schon mal andeutet. Im Fall Irak scheint das relativ einfach zu sein. Respice finem, bedenke das Ende, heißt eine alte Weisheit, die man schon im Alten Testament findet (Sirach, 7,40). Dieses Ende ist im Fall eines Krieges gegen den Irak nicht absehbar. Saddam könnte Giftgasraketen gegen Israel einsetzen, die sowieso schon von Fundamentalisten erregten Massen in Ägypten und Jordanien könnten den Aufstand proben, die Börsen könnten vollends abstürzen und die Ölpreise explodieren, der Konsum in den Vereinigten Statten gestoppt und die stärkste Wirtschaft der Welt endgültig in die Rezession getrieben werden - mit unvermeidlichen Konsequenzen für den Rest der Welt, insbesondere Europa. Ganz abgesehen von den Folgen für das irakische Volk.
Das Szenario läßt sich prächtig ausmalen. Ihm steht die Bedrohung gegenüber, daß Saddam seine Massenvernichtungswaffen in die Hände von Terroristen geraten läßt. New York im C-Waffenfieber, tatsächlich oder psychologisch - das ist eine Horror- vorstellung, die jeden Präsidenten terrorisiert und vor der jedes Kalkül von Verbündeten verblaßt. Auch das gehört in die Überlegung vom Ende oder den Fol- gen.
Schließlich der elfte September, Jahrestag einer Zäsur in der neuesten Geschichte, das Datum, als offen der Terrorkrieg ausbrach. Selbst wenn an diesem Tag nichts passiert, was unwahrscheinlich ist angesichts der hohen symbolischen Bedeutung, die Terroristen vom Schlag Osama bin Ladens historischen Daten beimessen, selbst wenn Anschläge also verhindert werden können, der Film über die einstürzenden Twin-Towers wird an diesem Tag in Wohnzimmern und auf den Straßen Amerikas immer wieder zu sehen sein. Der Terror-Krieg wird präsent sein und damit das Bewußtsein von der Bedrohung. Auch Europa wird von dieser Bewußtseinswelle nicht verschont bleiben und es gilt, gerade in Mediendemokratien, das Wort, das schon vor mehr als zweitausend Jahren der griechische Philosoph Epiktet in seinem "Handbüchlein der Moral" niedergeschrieben hat: Nicht die Dinge selbst beunruhigen uns, sondern die Meinung, die wir von ihnen haben. Das ist eine Konstante menschlichen Verhaltens. Es dürfte nach dem elften September schwierig werden, Maßnahmen gegen den Terror weiterhin als Abenteuer zu bezeichnen, auch wenn sich heute fast zwei Drittel der Deutschen nach Umfragen gegen eine Beteiligung der Europäer an einem Krieg gegen Bagdad aussprechen.
Die Regierung Bush wird sich kaum an die Ratschläge aus Deutschland halten, wenn sie den US-amerikanischen Interessen nicht entsprechen. Hier mischt sich Prävention gegen den Terror mit imperialen Absichten. Andererseits bedarf ein handfester Feldzug gegen den Irak eines Vorlaufs von mehreren Monaten logistischer und politischer Vorbereitung. Außerdem wird Bush kaum vor der Kongreßwahl am 5.November einen Waffengang wagen. Nichts haßt er so sehr, wie den Vergleich mit Clinton, dem man in ähnlicher Situation Ablenkung vorwarf. Er wird die Wahlen abwarten und dann, falls er noch eine Mehrheit im Kongreß dafür hat, tatsächlich Maßnahmen anordnen.
Für Rotgrün ist das zu spät. Bundeskanzler Gerhard Schröder ist ostentativ bemüht, als Staatsmann aufzutreten und das antiamerikanische Klischee in seiner eigenen Partei zu bedienen, um die Linkswähler zu mobilisieren. Offensichtlich hat er eingesehen, daß Edmund Stoiber - nach Thomas Schmidt in der "FAS" ein "programmglatter Kiesel, der dem Wahlsieg zukullert" - nicht zu packen ist und daß die rotgrüne Wählerschaft andere Themen braucht. Aber mit rein außenpolitischen Themen (die Ostpolitik war im Grunde ein deutsches Thema) ist noch keine Bundestagswahl gewonnen worden, und der elfte September könnte die Bemühungen der Pazifisten und Appeasement-Politiker zur Selbstmobilisierung neutralisieren. Schröder mag in der Sache recht haben, und Stoiber liegt übrigens auch auf dieser Linie, allerdings ohne den antiamerikanischen Zungenschlag. Nur: Schröder und seine Wahlkampfmanager haben das schwankende Bewußtsein der Leute nicht im Blick, sie haben das Ende nicht bedacht. Aber für die Weisheiten des Alten Testaments hatte er ja sowieso nie viel übrig, von denen des Neuen Testaments ganz zu schweigen. Maria Klausner |
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