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Der Kontaktmann

 
     
 
Das Wirken Egon Bahrs war immer mit der Atmosphäre des Konspirativen verbunden. Als besonders eng mit Willy Brandt verbunden, dem er seinen für einen aus der tiefen thüringischen Provinz kommenden Journalisten erstaunlich raschen und steilen Aufstieg in die Höhen der Politik verdankte, hatte Bahr entscheidenden Anteil an der sogenannten "Neuen deutschen Ostpolitik", die sich in Wahrheit aber als sowjetisch
e Westpolitik entpuppte. Das hatten die großen Außenpolitiker der damaligen CDU-CSU-Fraktion, Karl Freiherr zu Guttenberg und Werner Marx, richtig erkannt und zur Basis ihrer Kritik an der Bahrschen Außenpolitik gemacht.

Den Kurswechsel der Politik ab 1969, als Brandt Kanzler und damit Bahr zum Vordenker und Ausführenden der Außenpolitik wurde, bereitete er schon 1963 vor, als er die immer wieder zitierte Formel vom "Wandel durch Annäherung" einführte. Das war die verständlichere Bezeichnung für die sogenannte Konvergenz-Theorie, die vorgab, die gegensätzlichen ideologischen Systeme würden sich dadurch angleichen, daß sie sich annäherten – wodurch das des Kommunismus seinen Schrecken verlieren würde. Das aber war von Anfang an eine politische Lüge, denn für überzeugte Kommunisten ist ihr System, das schließlich auf dem hegemonialen Imperialismus Lenins beruht, das einzig Wahre und Echte. Deshalb kommt ein Wandel durch Annäherung für sie nur in dem Sinne in Frage, daß der Westen sich wandelt durch Annäherung, was ja dann auch genauso geschehen ist. Denn nur so ist die quasi Verbrüderung, die Bahr mit der Moskauer Filiale DDR betrieb, zu erklären.

Nun gab es – und gibt es immer noch – vielerlei Versuche, das Verhalten Bahrs zu ergründen. Da er erwarten mußte, eines Tages wegen seiner engen Verbindungen zum sowjetischen Geheimdienst KGB in die Enge gedrängt zu werden, ging er zu der Methode über, Angriff ist die beste Verteidigung. Er baute die Legende auf, es sei unerläßlich gewesen, die Verbindung zum KGB zu suchen, damit die Verhandlungen mit Moskau und der Kurswechsel so lange wie nur möglich streng geheim bleiben konnten – mit anderen Worten, die Pfade der Jahrhunderte alten und bewährten traditionellen Diplomatie wurden aufgegeben und durch die Zusammenarbeit mit einem Geheimdienst, dessen freiheits- und menschenfeindlicher Charakter weltweit bekannt und gefürchtet war, ersetzt.

Was seinerzeit vermutet wurde, ist jetzt dokumentarisch bestätigt. Der damalige sowjetische Führungsoffizier Bahrs, Generalmajor Wjatscheslaw Keworkow, hat in seinem Buch "Der geheime Kanal" dargestellt, wie er im Auftrag des damaligen KGB-Chefs Andropow die Verbindung zu Bahr aufbaute und diesen Hunderte von Malen traf, abschöpfte und mit Aufträgen versah. Der Untertitel lautet daher auch in schönster Offenheit "Moskau, der KGB und die Bonner Ostpolitik". Und damit dieses der Entlastung dienen sollende Werk auch die notwendige Authentizität ausstrahlt, enthält es ein Nachwort von – Egon Bahr.

Der Bericht von Keworkow ergänzt, was bereits an anderer Stelle berichtet wurde. Der russische Bürgerrechtler Wladimir Bukowski, von 1963 bis 1976 im Gulag eingekerkert, veröffentlichte 1995 in Paris ein Buch, das 1996 mit dem Titel "Abrechnung mit Moskau", in Deutschland vom Lübbe Verlag herausgegeben wurde. Es enthält Hunderte von geheimen und höchst aufschlußreichen Dokumenten aus den Archiven des ZK der KPdSU, die Einblicke erlauben in sowjetische Entscheidungen und politische Entwicklungen von historischer Tragweite. Und da findet sich bereits ganz am Anfang auf Seite 16 ein Dokument – übrigens auch im Faksimile, um jeden Verdacht einer Fälschung auszuschließen – aus dem hervorgeht, daß es Bahr war, der die Verbindung zur sowjetischen Geheimpolizei KGB suchte. Andropow berichtet am 9. September 1969 dem Zentralkomitee der KPdSU: "Das Komitee für Staatssicherheit erstattet Bericht über die Begegnung eines Verbindungsmannes des KGB mit dem Direktor des Krupp-Konzerns Zedtwitz von Arnim, die auf Wunsch des letzteren im Mai dieses Jahres in den Niederlanden stattfand".

Zedtwitz ist Vertrauter des bekannten SPD-Politikers Egon Bahr, der sich mit Planung, Koordinierung und Ausarbeitung der Grundlinien der Außenpolitik der BRD befaßt. Zedtwitz erklärte, daß er sich aufgrund einer Bitte Bahrs an den Verbindungsmann gewandt habe und damit rechne, daß die sowjetische Führung vom Inhalt des Gesprächs Kenntnis erhalte. Im weiteren sagte Zedtwitz, indem er sich auf Bahr berief, folgendes: "Die <vernünftigen> SPD-Politiker seien zu der Erkenntnis gekommen, daß andere Wege der <Ostpolitik> gesucht werden sollten, und möchte direkte und zuverlässige Verbindungskanäle nach Moskau herstellen." Und diese Rolle wurde dann von Andropow dem damaligen KGB-Generalmajor Keworkow zugewiesen, der fortan als Mentor Bahrs – ich bezeichne das als Führungsoffizier – fungierte.

Interessant ist an dem Bericht Andropows auch das Datum des Treffens, an dem der Wunsch Bahrs nach Kontaktaufnahme stattfand, denn im Mai 1969 war Brandt nicht Kanzler, sondern Außenminister einer Großen Koalition und Bahr Planungschef im Auswärtigen Amt. Bahr plante also schon weit im voraus – und natürlich hinter dem Rücken des damaligen Kanzlers Kiesinger.

 
     
     
 
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