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Novemberrevolution 1918-19

 
     
 
Die Revolution in Ostdeutschland war alles in allem, vergleicht man die Zustände mit manchen anderen revolutionären Vorkommnissen im Reich, doch recht ruhig verlaufen. Der Putsch des Spartakisten Wollenberger und seiner Volksmarine-Division war gescheitert. Und die Ostdeutschland insgesamt, vielleicht mit der Ausnahme Königsbergs, wo die USPD einen starken Rückhalt hatte, standen den Ideen der Revolutionär
e keineswegs nahe. Besonders in den Grenzgebieten hielt sich verständlicherweise die Begeisterung der Bevölkerung für eine Eroberung durch eine revolutionäre sowjetrussische Truppe in Grenzen. Zu frisch waren noch die Greueltaten der Russen an der Zivilbevölkerung in den Jahren 1914/15 in Erinnerung.

Doch es gab nicht nur einen inneren Feind. Die Zugehörigkeit Ostdeutschlands zu Deutschland war in jenen Tagen aufs äußerste bedroht durch die Ansprüche der neu entstandenen Nachbarländer Polen und Litauen.

Bereits am 25. August 1918 hatte der Parteiführer der Polnischen Partei im Berliner Reichstag, Albert (Wojciech) Korfanty, Ansprüche auf weite Teile Ostdeutschlands für den polnischen Staat erhoben. Am 1. November 1918 forderten die Polen, das ostdeutsche Masuren, das ermländische Allenstein und Rößel, "wenn es sein müßte, durch einen Volksentscheid Polen einzuverleiben". Noch im selben Monat hatte sich in Allenstein ein polnischer Volksrat (Rada ludowa) gebildet. Es wurden polnische Volksvereine gegründet – und zwar überall dort, wo auch nur eine polnische Familie, ein polnischer Pfarrer oder Gutsbesitzer saß und tätig war. Es standen für diese Zwecke offensichtlich großzügige Geldmittel zur Verfügung. Häufig wurden auch Landfremde zu Aktionen hinzugezogen, vor allem aus dem österreichischen Galizien oder dem Königreich Polen (das 1917 unter deutschem Protektorat wiedergegründet worden war).

In Ortelsburg, wo Kasimir Jaroszyk die Zeitung "Mazur" herausgab, verteilte er zahlreiche Freiexemplare und sorgte für die Etablierung einer örtlichen Abteilung des "Volksrates". Versuche, die Masuren für die polnische Sache zu gewinnen, die bis zur Abstimmung 1920 andauerten, scheiterten jedoch kläglich. Schnell wurde auch den Polen klar, daß die Masse der Masuren für einen Anschluß an Polen nicht zu haben war.

Doch nicht nur politische Agitatoren, sondern auch Überfälle von polnischem Gebiet aus und Agententätigkeit traten in jenen Tagen vermehrt in Erscheinung. Auf diese Tatsache machte der Regierungspräsident von Marienwerder seinen Königsberger Kollegen aufmerksam. Bei diesen Agenten handelte es sich teilweise um polnische Offiziere oder um ehemalige Offiziere der preußischen Armee polnischer Abstammung, die nunmehr in polnischem Dienst standen.

Schon Ende 1918 mußte sich die sozialdemokratische Reichsregierung in Berlin mit separatistischen Bewegungen auch im Osten, insbesondere im wirtschaftlich wichtigen Oberschlesien auseinandersetzen. Wo es eine örtliche separatistische Bewegung nicht gab – etwa in Masuren –, da half man auch schon einmal von außen nach. Das "Berliner Tageblatt" berichtete über einen besonders schweren Zwischenfall, der bereits am 15. November 1918 stattgefunden hatte: "Bei Neidenburg sind polnische Banden in deutsches Gebiet eingebrochen. Zwischen ihnen und den Grenzschutztruppen kam es zu einem Kampf, in dem 25 deutsche Soldaten verwundet wurden … Aus Allenstein ist eine Truppenabteilung von 500 Mann zur Verstärkung nach Neidenburg abgegangen."

Dieser Zwischenfall war der Auslöser, daß noch am selben Tage der Grenzschutz der östlichen Provinzen einer einheitlichen Leitung unterstellt wurde. Um eine Abspaltung des gesamten deutschen Ostens während der deutschen Revolutionswirren zu verhindern, wurde in Gemeinschaft des jeweiligen regionalen Arbeiter- und Soldatenrates und des Armeeoberkommandos (AOK) der "Heimatschutz Ost" gebildet.

Noch vor Gründung des Heimatschutzes Ost stieß dieser Plan bezeichnenderweise nur bei der USPD auf Widerspruch. Ausgerechnet der aus Königsberg stammende USPD-Chef und Mitglied im Rat der Volksbeauftragten, der damals die Reichsregierung bildete, Hugo Haase, kritisierte, die Gründung des Heimatschutzes erinnere ihn an den alten Ostmarkenverein, der Ende des 19. Jahrhunderts gegründet worden war, um das Deutschtum im Osten zu stärken und den polnischen Einfluß zurückzudrängen. Schließlich drohten die drei sozialdemokratischen Volksbeauftragten mit Friedrich Ebert an der Spitze mit ihrem Rücktritt, falls nicht zum Schutze der Ostgrenze militärisch eingeschritten werde. Haase lehnte das weiterhin ab und erklärte, dann würde die USPD ihrerseits der SPD die Regierungsgeschäfte überlassen. Schließlich sei, so der Sozialdemokrat und eines der sechs Mitglieder des Rates der Volksbeauftragten – also der damaligen Reichsregierung –, Otto Landsberg später, eine "lendenlahme Erklärung" herausgekommen.

Am 7. Januar 1919 riefen die sozialdemokratischen Mitglieder des Rates der Volksbeauftragten, Ebert, Scheidemann und Landsberg, offiziell zur Bildung eines Grenzschutzes im Osten auf. Sie beschrieben die dramatische Situation:

"Kameraden! Deutschland ist in schwerer Gefahr! Während wir an dem Aufbau unserer inneren Freiheit arbeiten, ist die Freiheit unserer Landsleute im Osten, aus dem täglich erschütternde Hilferufe an uns gelangen, von außen bedroht. Noch ein paar Tage ohne energische Abwehr und wir müssen befürchten, daß weitere Gebiete im Osten dem polnischen Imperialismus zum Opfer fallen, der unter Brechung von Gesetz und Landfrieden die schwerste Stunde der jungen deutschen Republik mißbraucht… Kameraden! Proteste allein nützen nichts … Wehren müssen wir uns, wehren. Meldet euch freiwillig zum Grenzschutz … Wir wollen euch in keinen neuen Krieg führen. Ihr sollt das Vordringen von Landfriedensbrechern aufhalten. Ihr sollt das Überrumpeln wehrloser Städte und Dörfer verhindern. Ihr sollt es unmöglich machen, daß Fremde nach Deutschland wie in ein herrenloses Haus eindringen und sich festsetzen. Ihr sollt als republikanische Wehrmänner die Errungenschaften der Revolution sicherstellen und die im Inneren geschaffenen Neueinrichtungen verteidigen. …"

Dieser Aufruf wurde vom Vorsitzenden des Berliner Zentralrates der Arbeiter- und Soldatenräte, Robert Leinert (SPD; 1918–1925 Oberbürgermeister von Hannover), zwar in der Weise kritisiert, es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, als wolle sich die Regierung eine Schutztruppe gegen USPD und Spartakisten schaffen. Doch im wesentlichen teilt er die Analyse Eberts und Scheidemanns:

"Es muß gesagt werden, daß wir eine Beute fremder Völker werden, wenn das Volk sich jetzt nicht aufrafft, daß die Polen uns mit ihrem ungeheuer großen Nationalstolz beschämen … Wir dürfen uns doch nicht von einem so tiefstehenden Volk (sic!) wie den Polen zerrütten und um die großen Errungenschaften bringen lassen, die die Arbeiter geschaffen haben und die in dem großen Siege der Revolution gipfeln. Diese Errungenschaften müssen geschützt werden, wenn wir nicht rettungslos verloren sein sollen, wenn wir nicht verhungern wollen … Jetzt sieht es so aus, als ob die Polen uns einfach ganz Ostdeutschland und Westpreußen restlos abschneiden wollen, und wir stehen tatenlos da. Das ist so beschämend für unser ganzes Volk, daß es nicht so weitergehen kann. Die Armee muß schnell geschaffen werden …"

 
     
     
 
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