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Ursprünglich, um Sicherheit, Ruhe und Ordnung zu gewährleisten, wurde Ende November als Polizeitruppe des Siebener-Ausschusses des Soldatenrates eine "Armee- und Marinevolkswehr", die Volksmarine-Division, gegründet. Mit ihrer Leitung wurde der USPD-Mann Erich Wollenberg beauftragt, der später als Chef der militärischen Abteilung der KPD bekannt wurde. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, daß es Wollenberg nicht darum ging, "Ruhe und Ordnung" wiederherzustellen, sondern, im Gegenteil, mitzuhelfen, den Ideen der Weltrevolution Lenins und Trotzkis in Deutschland den Boden zu bereiten. Diese Truppe war als Keimzelle einer deutschen Roten Armee vorgesehen. Sie wurde durch ein Gesetz vom 12. Dezember 1918 legalisiert. Sie war etwa 1000 bis 1500 Mann stark und bestand, so wurde kolportiert, zu einem erheblichen Teil aus Kriminellen. Geführt wurde sie offiziell von dem genannten Siebener-Ausschuß, der im Königsberger Schloß amtierte und der ja zum großen Teil aus gemäßigten Sozialdemokraten bestand. Inoffiziell waren die Loyalitäten jedoch anders gelagert.
Zwar war der eigentliche spartakistische "Kern" in Königsberg ausgesprochen klein, um nicht zu sagen, unbedeutend: Als Anfang Januar die Nachricht der Abspaltung der KPD von der USPD nach Ostdeutschland drang, erklärten sich auf einer Mitgliederversammlung der Königsberger USPD von etwa 700 Anwesenden gerade einmal 30 bis 40 Personen für die neue Kommunistische Partei unter Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die beide schon in den nächsten Tagen in Berlin ermordet werden sollten.
Zunehmend terrorisierte jedoch die linksradikale Richtung der Volksmarine unter Leitung des Spartakisten Erich Wollenberg die ostdeutsche Zivilbevölkerung. Zwischen Weihnachten und Neujahr, also noch vor Gründung der KPD in Berlin, versuchte Wollenberg einen Putsch gegen den gemäßigten Siebenerausschuß. Der Siebenerausschuß sollte festgenommen werden und eine Räterepublik Königsberg ausgerufen werden. Der Wollenberg-Putsch scheiterte jedoch kläglich. Wollenberg selbst konnte allerdings bezeichnenderweise noch bis Ende Januar in Königsberg bleiben. Dann ging er nach Bayern, wo er seine Hilfe der inzwischen gegründeten Münchner Räterepublik andiente.
Noch am 25. Februar 1919 antwortet in der Nationalversammlung der Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) dem USPD-Abgeordneten Henke, der aus durchsichtigen Gründen die sowjetrussische Gefahr für Ostdeutschland zu beschönigen versuchte und dessen Partei zum Teil offen mit den Sowjets sympathisierte:
"Herr Henke bestreitet, daß eine Bedrohung Ostdeutschlands durch die bolschewistische Regierung in Frage kommen könnte. Wir würden es außerordentlich begrüßen, wenn seine Annahme zu Recht besteht. Aber selbst wenn die Petersburger Regierung nicht die Absicht hat, russische Soldaten über die deutsche Grenze ziehen zu lassen, so erscheint es mir doch einigermaßen fraglich, ob die Petersburger Machthaber die Banden, die sich im Lande gebildet haben, so in der Hand haben, daß nicht eine Bedrohung Ostdeutschlands in Frage kommen kann. Deswegen wäre es geradezu eine verbrecherische Leichtfertigkeit von der Regierung, wenn sie nicht darauf Bedacht nähme, so rasch wie möglich die bedrohte ostdeutsche Grenze besser zu schützen, als es bis dahin der Fall gewesen ist."
In den Akten des "Reichskommisars für den Osten", August Winnig, finden sich für die Monate Februar und März 1919 laufend Klagen über Gewalttätigkeiten und Plünderungen, an denen Angehörige der Marinevolkswehr beteiligt gewesen seien. Bereits gegen Anfang Februar wurde die Unmöglichkeit der Situation, daß die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung ausgerechnet der stark unter sowjetisch-bolschewistischem Einfluß stehenden Marinevolkswehr anvertraut wurde, vollends deutlich. Um endlich zu einigermaßen geregelten Verhältnissen zu kommen, wurde am 24. Februar 1919 eine "Neuorganisation des Staatsschutzes" in Form eines "Volkswehr-Regiments Königsberg" vorgenommen, um die Marinevolkswehr zu ersetzen und überflüssig zu machen. Die Verpflichtungsformel der Angehörigen des neuen Volkswehr-Regimentes forderte von seinen Angehörigen unter anderem ausdrücklich, "treu zur Verfassung und Regierung der deutschen Republik" zu stehen und durch "Verhalten in und außer Dienst
dem Volksregiment Vertrauen und Ansehen in der Bevölkerung zu erwerben". Bereits am 20. Februar hatte der "Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte Ostdeutschlands" beschlossen, sich "hinter die Nationalversammlung des Deutschen Volkes, die allein über die politische Gestaltung unseres Vaterlandes zu entscheiden hat", zu stellen. Damit war eine wichtige Entscheidung zuungunsten der Räteherrschaft nach sowjetrussischem Modell und zugunsten einer parlamentarischen Demokratie gefallen.
Auch der Königsberger Soldatenrat bekleckerte sich inzwischen nicht gerade mit Ruhm. Häufig waren es nur kleine, scheinbar unbedeutende Vorkommnisse wie etwa dieses: Ein Soldat des erwähnten Soldatenrates, der auf der Fahrt in Richtung Sussemilken war, machte Station in Labiau und verlangte unter Drohungen vom Wirtschaftsamt des Kreises die Herausgabe von Benzin, das streng rationiert und in Zeiten größter Nahrungsmittelknappheit nur für landwirtschaftliche Fahrzeuge und Maschinen vorgesehen war. Es erübrigt sich zu erwähnen, daß für dieses Benzin niemals bezahlt wurde. Doch solche Vorfälle häuften sich, und die dahinter stehende prinzipielle Mißachtung von Eigentum und Gesetz führte dazu, daß die Bevölkerung dieser Form der Regierung bald überdrüssig wurde. Selbst der Sozialdemokrat und Historiker der ostdeutschen Arbeiterbewegung, Wilhelm Matull, sprach von "zunehmender Opposition, ja Erbitterung gegenüber dem von kommunistischen Tendenzen beeinflußten und durch übles Verhalten mancher seiner Mitglieder um sein Ansehen gekommenen Königsberger Soldatenrat".
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