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Einige sonst sehr gesprächige Zeitgenossen blieben diesmal dem Stammtisch im Deutschen Haus fern. Andere setzten sich an den Katzentisch und leckten dort ihre Wunden, die sie sich mit falschen Prophezeiungen bei ihren penetranten Bildschirmpräsenzen der letzten Wochen geholt hatten.
Da saßen sie nun: Bundesminister Trittin neben dem Super-Experten Scholl-Latour, dazu bis dahin unbekannte Militärhistoriker, pensionierte Generale und Obristen, Schriftsteller, Unterhalter, Rocksänger, Kabarettisten und grüne, schwarze, rote, auch gelbe Politiker von Frau Beer bis zu Herrn Gauweiler. Und natürlich auch der unvermeidliche Franz Alt, der den amerikanischen Präsidenten schlicht zum "größten Feind der Menschheit" erklärt hatte. Alle, alle hatten was zu sagen und mehr noch zu befürchten. Doch wirkliches Wissen hatten sie in den meisten Fällen nicht mehr als ihre Zuschauer.
Trittin hatte bis zu 200.000 Kriegs-tote im Irak erwartet, und weitere 200.000, die an den Kriegsfolgen sterben würden. Der über Wochen besonders unvermeidliche Scholl-Latour hatte den Höhepunkt des Krieges in Bagdad beschworen, "wenn man in Umm Qasas schon so heftig gekämpft hatte". Von verzweifelten Moderator en mit gequälten Gesichtern in Szene gesetzt, hatten die "Experten" Schreckensszena- rien an die Wand gemalt: Der Mittlere und Nahe Osten würde explodieren, die ganze Region destabilisiert, und der "Weltbrand" stünde bevor.
Kein Wunder, daß sich daraufhin Hunderttausende friedliebende Pazifisten (vormittags auch Schüler) aufmachten, um für den Frieden zu trommeln, zu schweigen und sogar zu schlafen. Der Stammtisch erkannte, daß die Friedensbewegten, die einst gegen Reagan demonstrierten und Breschnjew nicht sehen wollten, den Saddam Hussein erst bemerkten, als es ihm an den Kragen ging. |
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