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Jahrestag: Der verschenkte Sieg

 
     
 
Der Kurfürst Friedrich Wilhelm hat das rechte Flor und Aufnehmen in unser Haus gebracht, mein Vater hat die königliche Würde erworben, ich habe das Land und die Armee in Stand gesetzt; an Euch, mein lieber Sukzessor, ist, was Eure Vorfahren angefangen, zu behaupten und die Praetentionen und Länder herbeizuschaffen, die unserem Hause von Gott und Rechts wegen zugehören." Dies schrieb der "Soldatenkönig
" Fried-rich Wilhelm I. in seinem Testament an seinen Sohn.

Im ersten und zweiten Schlesischen Krieg brachte Friedrich ganz Schlesien an Preußen. Nun drohte ein dritter Krieg. Alle Großmächte Europas mit Ausnahme Großbritanniens standen gegen Preußen zusammen.

Mitte 1756 verdichteten sich die Meldungen, daß Frankreich, Österreich, Rußland und Sachsen nicht nur ein offensives Militärbündnis gegen Preußen geschlossen hätten, sondern daß die militärischen Angriffsvorbereitungen der Verbündeten fast abgeschlossen seien. Der König schrieb an seine Schwester: "Wir haben einen Fuß im Bügel, und ich glaube, der andere wird bald folgen."

So faßte der König den Plan, seinen weit überlegenen Gegnern zuvorzukommen und seinerseits anzugreifen. Am 29. August 1756 rückte die preußische Armee in Sachsen ein, und bereits am 9. September konnte Friedrich der Große Einzug in Dresden halten. Die sächsische Armee streckte in ihrem Lager bei Pirna die Waffen, nachdem der König das österreichische Heer bei Lobositz geschlagen hatte.

Während es im Westen zunächst günstig stand, machte man sich in Ostdeutschland Sorgen. Fried-rich hoffte, daß einige Zeit vergehen würde, bis die russische Armee tatsächlich kriegsbereit war. Tatsächlich dauerte es bis zum Sommer des nächsten Jahres, bis das russische Militär aktiv wurde. Am 1. August 1757 überschritt eine 54.800 Mann starke Armee unter General Fermor die Grenze und rückte in das Landesinnere vor. Friedrich hatte die Masse seiner Truppen in Böhmen und Schlesien stehen. Feldmarschall von Lehwaldt verfügte in Ostdeutschland lediglich über 24.700 Soldaten, die sich in 22 Infanterie- bataillone und 50 Kavallerie- schwadrone gliederten.

Die preußische Armee besaß 55 Geschütze. Fermor hingegen verfügte nicht nur über mehr Soldaten, sondern auch mit 109 Geschützen über fast das Doppelte an Artillerie. Die Aufgabe der im alten Ordensland stehenden preußischen Truppen bestand nicht nur im Schutz desselben, sondern auch darin, die Russen davon abzuhalten, sich in Schlesien oder Böhmen mit den Österreichern zu vereinigen.

Auf Lehwaldt lastete eine große Verantwortung, die durchaus mit der Situation der 8. Armee 1914 vergleichbar ist. Eine ausreichende Anzahl Truppen konnte der König nicht bereitstellen, andererseits war mit einem Auftreten der Russen in Pommern und der Mark zu rechnen, wenn Lehwaldt die Russen nicht festhalten konnte. Verlor er die Armee, war das für den König kaum auszugleichen. Friedrich schrieb an Lehwaldt: "Euer Korps ist zwar schwach, aber wenn ihr nur auf einem Flügel attaquiert und den anderen zurückhaltet, mache ich mir Hoffnung, daß Ihr mit sie fertig werden sollet." Die tatsächliche Kampfkraft der Russen konnten die Preußen noch nicht einschätzen.

Nach dem Einmarsch der Russen in Ostdeutschland zog sich Lehwaldt mit seinem Korps zunächst auf Wehlau zurück. Die Russen folgten und überschritten dabei den Pregel, so daß der Fluß beide Armeen trennte. Bei Norkitten bezogen die Russen am 27. August 1757 ein Lager. Nun setzte auch Lehwaldt über den Pregel und ließ Schorlemmers Kavallerie aufklären. Am 29. August1757 faßte Lehwaldt den Entschluß zur Schlacht (von Groß Jägersdorf).

Am 30. August 1757 um 1 Uhr in der Frühe brachen die Preußen auf. Das Husarenregiment 5 bildete die Spitze. Um 3.30 Uhr waren die preußischen Streitkräfte zur Schlacht aufmarschiert. Bodennebel verdeckte die Sicht auf die Russen, die nicht glauben wollten, daß die zahlenmäßig unterlegenen Preußen tatsächlich ihr Heil in der Offensive suchten. Erst um 4 Uhr sammelte General Sybilsky seine Avantgarde bei der Ortschaft Sittenfeld. Um 4.30 Uhr ließ Lehwaldt die Infanterie angreifen. Erst um 5 Uhr erhielt der russische Befehlshaber Apraxin die Nachricht vom Angriff der Preußen. Am linken Flügel hatten die 30 Schwadronen von Schorlemmers Kavallerie die russische Reiterei geworfen. Um 6 Uhr griff auch die Infanterie am rechten Flügel an. Unter schweren Verlusten drangen die Preußen vor und eroberten auch eine Anzahl von Geschützen. Als die Russen ihre Reserven am rechten Flügel vorführten, kam es zu erbitterten Bajonett- und Kolbennahkämpfen. Nach dem Verlust von zwei Fünfteln ihrer Stärke mußte die preußische Infanterie ihre Stellungen aufgeben. Schorlemmers Reiter deckten diesen Rückzug. Das Dragonerregiment 8 verließ als letzte Einheit das Schlachtfeld. Sybilskys Avantgarde brach nun aus dem Wald hervor und begann, Verwundete und Tote zu plündern. Die Preußen hatten 4.520 Soldaten, davon 123 Offiziere, an Verlusten und büßten 28 Geschütze ein. Die Verluste der Russen waren etwas stärker: 5.711 Mann, davon 278 Offiziere und hiervon wiederum elf Generale.

Apraxin nutzte aber seinen Sieg nicht aus. Zwar rückte die Armee noch auf Altenburg vor, aber bis Ende Oktober hatten die Russen Ostdeutschland mit Ausnahme der Stadt Memel wieder geräumt und bezogen Winterquartier in Kurland. Zarin Elisabeth setzte Apraxin wutentbrannt ab und stellte ihn vor ein Kriesgericht. Während der Untersuchung verstarb der Sieger der Schlacht von Groß Jägersdorf. So endete der ostdeutsche Feldzug trotz des Sieges von Groß Jägersdorf durch das unentschlossene Taktieren der russischen Führung de facto mit einer Niederlage. Klaus Gröbi
 
     
     
 
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