|
Aufatmen bei Bund, Ländern und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK): Die Kronjuwelen der deutschen Kulturlandschaft in Berlin haben nach annähernd einjähriger Wartezeit wieder einen Präsidenten, die schreckliche, die "kaiserlose" Zeit ist beendet. Der SPK-Stiftungsrat wählte dieser Tage einstimmig den bisherigen Generaldirektor der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main und in Leipzig, Klaus-Dieter Lehmann. Er ist Nachfolger von Werner Knopp, der Anfang dieses Jahres aus Altersgründen aus dem Amt schied. Lehmann bedankte sich denn auch artig für die ihm zuteil gewordene ehrenvolle Berufung und sprach von der Stiftung als eben jenem Juwel, an dem es wenig zu deuteln, aber im Hinblick auf die Präsentation sicher einiges zu verbessern gebe. Am 12. Februar kommenden Jahres ist offizieller Arbeitsbeginn für den neuen SPK-Chef in Berlin.
Lehmanns Andeutungen beweisen nicht mehr und nicht weniger als den Umstand, daß nach der Ära Knopp, dessen eher ruhiger und ausgleichender Präsidialstil die Stiftung über Jahre hinweg gekennzeichnet hat, für die 1957 im geteilten Deutschland gegründete Institution doch ein neues Kapitel anbrechen wird. Das kann der Stiftung, die für die Bewahrung der Kulturgüter zuständig ist, die sich auf dem Gebiet des 1947 durch die Besatzungsmächte verbotenen preußischen Staates befanden, nur gut bekommen. Schließlich geht es auch um einen Jahresetat von rund 400 Millionen Mark, den der Bund zu 75 Prozent bestreitet. Der neue Präsident wird allerdings auch daran zu messen sein, inwieweit er in der Stiftung weiterhin jenes Stück Preußen sieht, das beileibe nicht untergegangen ist, und das ungeachtet des mit schöner Regelmäßigkeit wiederholten Militarismusvorwurfs ein wesentliches Stück deutscher Geschichte und vor allem deutscher Kulturgeschichte bedeutet. Er wird auch daran zu messen sein, inwieweit er den nötigen Einsatz dafür zur Verfügung hat, die Frage nach preußischen Kulturgütern, die sich teilweise noch immer auf anderen Territorien befinden, einer Lösung zuzuführen. Dazu gehören unter anderem der "Schatz des Priamos" in Rußland und wertvolle Bibliotheksbestände und Musikhandschriften im polnischen Krakau. Eigentlich, so steht zu hoffen, ist der neue Präsident dafür geradezu prädestiniert, hat er doch seit Jahren Sitz in der zuständigen deutschen Verhandlungsdelegation.
Der Wahl des 1940 in Breslau geborenen und promovierten Bibliotheks- und Naturwissenschaftlers Lehmann war indes ein nicht unerhebliches politisches Ränkespiel vorausgegangen. Er, der sich nach dem Weggang Knopps vor allem durch seine großen Verdienste bei der Zusammenführung west- und mitteldeutscher Bibliotheksbestände als Kandidat für das Präsidentenamt der Stiftung empfohlen hatte und vor allem die Gunst der Bundesländer genoß, sah sich einem durchaus gleichwertigen Rivalen gegenüber. Der Direktor des Deutschen Historischen Museums in Berlin, Christoph Stölzl, den Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl gern an der Spitze der Stiftung gesehen hätte, war lange Zeit der Favorit. Aufgrund des Widerstandes einzelner Länder gegen den CDU-Begünstigten Stölzl entstand allerdings eine Pattsituation, bei der Lehmann, offensichtlich von dem Gerangel entnervt, zunächst das Handtuch warf. Eine Entscheidung wurde dann jedoch auch nicht getroffen. Erst der Ausgang der Bundestagswahlen am 27. September dieses Jahres brachte Lehmann wieder auf den Plan und jetzt in das Präsidentenamt.
Der äußerst korrekte und als großes Organisationstalent beschriebene Lehmann gilt auch als leidenschaftlicher Verfechter des Föderalismus in der Kultur. Von daher ist seine geäußerte Absicht zu verstehen, die nicht von allen Bundesländern gleichermaßen geliebte Stiftung "als kulturpolitische Klammer zwischen Bund und Ländern zu stärken". Die Länder werden es dankend vernommen haben. Das verspricht allerdings ein interessantes Spagatunterfangen zu werden, ist Lehmann doch gerade vom ersten Kulturbeauftragten des Bundes, Michael Naumann, der in Zukunft den Vorsitz im Stiftungsrat führt, in sein Amt eingesetzt worden. Lehmanns erklärtes Ziel ist es, soviel hat er jetzt schon programmatisch durchblicken lassen, an dem Berliner "Kompendium" der SPK mit Galerien, Museen, Bibliotheken, Archiv und mehreren Instituten festzuhalten. Besondere Wirksamkeit sieht der neue Präsident im Begriff "Ensemble", mit dem er auch eindringlich in Zukunft werben will. Dies gehe nicht ohne eine gewisse Modernisierung der Strukturen ab.
Zu den wichtigsten Aufgaben Lehmanns werden auch der Milliarden verschlingende und auf zehn Jahre angelegte Umbau der Museumsinsel in Berlin sowie die Reformierung der Staatsbibliothek gehören. Dafür will der neue Chef bereits am 17. Dezember dem Stiftungsrat Konzepte vorlegen. Lehmanns Gönner, Michael Naumann, ist es denn auch zufrieden, wenn er sagt, daß mit der Wahl des neuen Präsidenten die drängendste Aufgabe deutscher Kulturpolitik gelöst sei. Jetzt ist Lehmann am Zuge.
|
|