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Das Kopftuchurteil ist ein Schlag ins unverhüllte Gesicht Europas. Beim Kreuz waren sie "mutig" und pochten auf die Neutralität des Staates. Jetzt, acht Jahre später, schiebt die Mehrheit des zweiten Senats in Karlsruhe die Entscheidung kleinlaut und emsig an den Gesetzgeber weiter. Das erinnert an den Käfer, der Mist sammelt, zu einem Ballen formt und vor sich herschiebt.
Das Problem des religiösen Bekenntnisses in einem weltanschaulich neutralen, pluralistischen Staat wird immer größer. Die Parlamente werden sich damit befassen und möglicherweise 16 verschiedene Gesetze beschließen. Irgendwann wird die Sache dann doch wieder vor dem Bundesverfassungsgericht landen, weil eine Kopftuchträgerin Beamtin werden will und Bundesrecht Landesrecht brechen soll. Und dann muß doch in Karlsruhe entschieden werden. Vielleicht wird der ganze Mist dann zerfallen, so wie der Ballen des Käfers an der Wand. Aber dann sind es vermutlich andere Richter, und angesichts der geistigen Schwindsucht in diesem Land wird man der Frage vielleicht kaum noch Bedeutung beimessen. Das Gesicht Deutschlands wird ein anderes sein: zerschlagen, leer und ausdruckslos. Es sind solche Urteile, die zunächst einen Geisteszustand widerspiegeln, in diesem Fall die weit verbreitete Feigheit, die eigene geistig-ideelle Verfaßtheit, vor allem den eigenen Glauben gegenüber anderen Religionen zu bekennen. Wenn, wie Humboldt meinte, die Sprache der "Geistleib" des Menschen ist oder nach einem Wort Schopenhauers die "Physiognomie des Geistes", dann haben wir in Karlsruhe ein Gesicht der Ratlosigkeit vor uns, weil die Richter sich scheuen, auf die geistige Gestalt Europas und Deutschlands zu rekurrieren. Sie halten krampfhaft an der Neutralität und dem Pluralismus fest. Aber das sind keine Lebensmaximen. Aus ihnen folgt nur das Gebot der Toleranz. Und gerade das wird mit dem jüngsten Urteil verschoben statt verstärkt. Hier steht die Toleranz auf der Kippe zur Selbstaufgabe. Das wird auch das Denken der Allgemeinheit beeinflussen. Die Angst vor der eigenen Courage und vor dem Sturm der politisch korrekten Gutmenschen in den Medien sind die Schläge ins Gesicht Europas. Denn Europa ist christlich, nicht nur in seinem Wurzelwerk, sondern auch heute noch im alltäglichen Leben, in den Früchten des Baumes Demokratie.
Der Islam dagegen ist demokratieunfähig. Frauen werden mißachtet und gedemütigt. In vielen islamischen Ländern ist Polygamie normal und Menschenwürde eine Ange- legenheit der teetrinkenden oder quatkauenden Männer. Vor solchen Männern ist es ein Schutz, Kopf und Körper zu verhüllen. In Europa herrschen andere Sitten, auch Unsitten gewiß, aber die Menschenwürde gilt auch für Frauen, mit und ohne Kopftuch. Die Richter haben ein Stück Würde und Freiheit aufgegeben. Nun ist der Schulfrieden in Gefahr. Eltern könnten dagegen protestieren, daß eine Lehrerin darauf besteht, ihr religiöses Symbol demonstrativ zu tragen. Sie könnten zu Recht den Fanatismus der Lehrerin fürchten. Sie sollten freilich genauso die Arroganz und Religionsfeindlichkeit von deutschen Lehrern fürchten. Denn hinter diesen Lehrern steht mehr als ein Relativismus der Werte, hinter ihnen steht im wahrsten Sinn des Wortes nichts. Sie sind Nihilisten, für sie ist, was Karl Kraus von Metropolen wie Wien schrieb, die heutige Gesellschaft in Deutschland offenbar eine "Versuchsstation des Weltuntergangs".
Ganz anders die Islamisten. Sie zeichnen, wie man ironischerweise am Tag vor der Urteilsverkündung auf einem großen islamischen Kongreß in Deutschland selbst im Fernsehen beobachten konnte, ein Bild von der Weltherrschaft des Islam, und natürlich vor allem in Europa. Sie wissen, daß es kein geistiges Vakuum geben kann. Wer diese Entwicklung weiterdenkt, landet in der historischen Perspektive beim Kopftuch für alle Frauen.
Das Kreuz habe "appellativen Charakter", sagten die Richter vor acht Jahren. Das gilt auch für das Kopftuch und für jedes ostentativ getragene religiöse Symbol. Die Franzosen verbannen deshalb aus den öffentlichen Schulen jedes religiöse Zeichen, das Kreuz ebenso wie das Kopftuch. Derzeit wogt auch in Frankreich eine Debatte, ob man deswegen ein Gesetz verabschieden soll. Bisher langten das Selbstverständnis und die Anweisung des Schuldirektors. Aber die islamische Minderheit ist mittlerweile zur zweitgrößten Religion avanciert, und es werden täglich mehr.
Ihre Aggressivität erzeugt Angst. Politisch schlägt sich das im Zulauf zu radikal-nationalistischen Gruppierungen wie der Nationalen Front nieder. Innenminister Sarkozy hält wacker dagegen und zögert vor der Verabschiedung eines Gesetzes über religiöse Symbole an öffentlichen Schulen. Erziehungsminister Ferry ist mal dafür, mal dagegen. Premier Raffarin strebt jetzt solch ein Gesetz an. Man kann über die Art und Weise streiten, fest steht: Man wehrt sich. Die Deutschen dagegen verharren im üblichen quälerischen Selbstzweifel. Das mag mit ihrem gepflegten Schuldkomplex zusammenhängen und mit ihrer gebrochenen Identität. Sie sollten wenigstens die Tatsachen zur Kenntnis nehmen - zum Beispiel das Vordringen des Islam und seine wachsende Fanatisierung - und wie die Bischöfe zwar auf Toleranz bauen, aber auch auf Gegenseitigkeit. Man sollte von den Staaten, aus denen die Kopftuchträgerinnen stammen, verlangen, daß dort auch Christen öffentlich Symbole ihres Glaubens tragen dürfen. Das ist nämlich in den meisten islamisch geprägten Ländern strikt verboten und auch gefährlich. In Saudi-Arabien etwa werden Priester regelrecht verfolgt, christliche Gemeinschaften aufgespürt und ins Gefängnis geworfen. Und auch in der Türkei bekommen die Christen mehr Leid als Toleranz zu spüren. Das Verlangen nach Gegenseitigkeit ist freilich nur ein erster Schritt. Der zweite muß die Mission im eigenen Land sein. Das fängt mit dem eigenen Bekenntnis und dem gelebten Glauben an, setzt sich fort mit harter Kritik an Verstößen gegen das Evangelium des Lebens und mit religiöser Erziehung in Kindergärten und Schulen. Und vor allem mit einer Familienpastoral. Die christliche Familie, die Hauskirche, ist der Nährboden des Glaubens. Hier müssen die Kirchen ansetzen. Der Staat dagegen hat sich um die Rahmenbedingungen zu kümmern. Wenn er sich drückt, wie jetzt in Karlsruhe, können die Kirchen ihm die Leviten lesen, der Aushöhlung der Gesellschaft durch Nihilisten und Relativisten müssen sie wohl selbst entgegentreten.
Es gilt nicht das Wort von der anderen Wange, sondern vom Feuerschwert, das spaltet, weil es für die Wahrheit ficht.
Urteilsverkündung im Namen Allahs" Mit seinem nicht gerade "salomonischen" Spruch hat das Bundesverfassungsgericht sich aus der Verantwortung gestohlen - nun sollen die Länder selbst entscheiden, ob sie ihre Schulen auch muslimischen Lehrerinnen mit Kopftuch öffnen. Deutschlands Gesicht wird ein anderes Türkei: Mehr Leid als Toleranz für Christen
Mit zweierlei Maß gemessen: Einerseits wurde vom Verfassungsgericht das Kreuz aufgrund religiöser Toleranz aus den Klassenzimmern verbannt. Andererseits dürfen islamische Lehrerinnen im Schulunterricht das Kopftuch tragen. |
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