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Och, nein, Mama, ich will noch nicht zum Essen kommen!" - "Was heißt das, du willst nicht? Das Essen steht auf dem Tisch, also komm jetzt", die Stimme der Mutter wurde zusehends ungeduldiger. "Manno, ich kann jetzt nicht. Es geht nicht, ich stürze sonst ab. Ich muß das hier noch unbedingt zuende ..." - "Was heißt das, du stürzt ab, bist du wahnsinnig geworden!" - "Ach, Mama, ich habe doch das neue Computerspiel, du weißt doch, von Oma und Opa, das muß ich erstmal zuende spielen, dann kann ich kommen. Das Mittagessen muß warten ..."
Solche oder ähnliche Dialoge spielen sich heute immer öfter in den Kinderzimmern ab, denn immer mehr Kinder verfügen über einen eigenen Computer oder Gameboy. Eine Studie des Berliner Universität sklinikums Charité Mitte unter der Schirmherrschaft der Senatsverwaltungen für Jugend und für Gesundheit hat an 323 Schulkindern im Alter zwischen elf und 14 Jahren untersucht, wie weit Computer, Fernseher, Gameboys und Handys verbreitet sind, und welche Folgen deren Nutzung auf die Psyche der Jungen und Mädchen hat.
Die Ergebnisse sind durchaus besorgniserregend. Rund 80 Prozent der Kinder besitzen einen Computer, 40 Prozent einen Fernseher mit einer Spielkonsole und mehr als 60 Prozent vergnügen sich mit einem Mobiltelefon. Da mehr als die Hälfte der befragten Kinder, diese Geräte im eigenen Zimmer jederzeit zur Verfügung haben, können die Eltern die Nutzung nicht gründlich kontrollieren.
Die Untersuchung ergab auch, daß jedes neunte Kind regelmäßig vor dem Bildschirm sitzt und lange spielt. Oft sind diese Sitzungen auch länger als geplant (welcher erwachsene Computernutzer weiß nicht ein Lied davon zu singen?). Die Folge: Schulische Aufgaben werden ebenso vernachlässigt wie soziale Kontakte mit Gleichaltrigen. Viele Kinder gehen darüber hinaus mit ihren Sorgen und Nöten nicht zu Freunden, sondern an den PC, wo sie in diversen Chaträumen ihren Kummer loswerden können. "Diese Kinder", sorgt sich Sabine Grüsser-Sinopoli, die diese Studie am Institut für Medizinische Psychologie an der Charité betreut, "erlernen keine Alternativen, um mit belastenden Lebenssituationen fertig zu werden."
Die Frage, ob sich die Kinder in der Schule wohl fühlen, beantworteten diese meist positiv. Doch ergab die Untersuchung, daß sich die jugendlichen Computer- und Handyfans weitaus schlechter konzentrieren können als Gleichaltrige, die nicht in diesem Ausmaß über elektronische Medien verfügen können. Auch legen sie ein dürftiges Kommunikationsverhalten an den Tag, davon sind selbst Mädchen betroffen, denen normalerweise eine höhere Kommunikationskompetenz bescheinigt wird. Übermäßiges Surfen im Internet und "Abhängen vor der Glotze", sprich Fernsehen, zerstören eindeutig die Fähigkeiten, mit anderen Menschen zu kommunizieren. Hinzu kommt, daß die gefährdeten Kinder mehr Kaffee trinken und weniger schlafen als Gleichaltrige.
Die Studie der Charité will nun keineswegs die Nutzung moderner Medien verteufeln. Computer und Wissensvermittlung sind heute nicht mehr voneinander zu trennen. Die Entwicklung ist mittlerweile soweit fortgeschritten, daß es schon für Vierjährige erste Lernprogramme gibt, die sie in die Geheimnisse der Welt einführen sollen. Wichtig sei, daß die Kinder sich Kompetenzen aneignen, um Zuhause verantwortlich mit Medien umzugehen, erläutert Grüsser-Sinopoli den Sinn ihrer Studie. Nun sind vor allem die Eltern aufgerufen, einmal öfter ins Kinderzimmer zu schauen und den Medienkonsum ihrer Sprößlinge zu kontrollieren. Weniger ist auch hier manchmal mehr. Peter van Lohuizen
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