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Es wird schlecht regiert in Deutschland – und jetzt sind auch noch die höchsten Ministerialbeamten durch den Wind: Kurz vor seiner Sommerpause hat der Bundestag zwei Gesetze verabschiedet, die genau das Gegenteil von dem bewirken, was der Gesetzgeber gewollt hatte. Wie das den ausgesprochen pingeligen Beamten im Bundesjustizministerium und den Hausjuristen im Berliner Arbeitsministerium unterlaufen konnte, das bleibt offen. Vielleicht sind die Beamten schon vom Hals-über-Kopf-Regierungsstil des Kabinetts Merkel infiziert – ein „schwarzer Freitag“ für die Administration.
Fall eins: In der Debatte um das Antidiskriminierungsgesetz hatte sich zum Ende der Beratung der Bundesrat zum Glück durchgesetzt und die Verbandsklage doch noch streichen lassen. Sonst hätten interessierte Vereine, Verbände oder Interessensgemeinschaften sich hinter einen scheinbar Diskriminierten stellen und vor Gericht nach Belieben juristische Exempel statuieren können. Doch genau so kam es – besonders betroffen werden Unternehmen sein.
Um die Verbandsklage aus dem „Gesetz zur Umsetzung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien“ zu tilgen, sollte nach der Entscheidung des Justizausschusses in Paragraph 23 an zwei Stellen die Formulierung „Bevollmächtigte und ...“ gestrichen werden. Doch der Gesetzestext ging ohne diese Änderungen als Drucksache zur entscheidenden Abstimmung in den Bundestag. Da ohnehin kein Abgeordneter mehr durchliest, was er beschließt, regelt das Gesetzt jetzt genau das Gegenteil von dem, was der Gesetzgeber gewollt hatte: Es gilt die umstrittene Fassung aus rot-grünen Regierungszeiten.
Fall zwei: Im Schnelldurchgang verabschiedet der Bundestag auch das Hartz-IV-Fortentwicklungsgesetz, das den Bundeshaushalt 2006 noch um rund 500 Millionen Euro entlasten soll. Ganz wichtig für Arbeits- und Finanzminister: Das Gesetz muß unbedingt zum 1. August in Kraft treten. Das federführende Arbeitsministerium zwingt damit die Bezieher von Arbeitslosengeld II, stärker als bisher frei verfügbare Ersparnisse für den Lebensunterhalt einzusetzen, bevor sie die Hartz-IV-Leistungen erhalten können. Die Senkung dieser Freigrenzen spart Millionen.
Im Gegenzug sollten Vermögenswerte, die zur Alterssicherung dienen, durch höhere Freigrenzen besser gesichert werden – man wollte schließlich aus Menschen in augenblicklichen Notlagen keine „ewigen Sozialfälle“ machen. Wenn zum Beispiel ein 57jähriger Ingenieur wegen Firmenschließung seine Arbeit verliert, dann kann er nach geltendem Recht ein Jahr lang Arbeitslosengeld I beziehen; danach wird seine finanzielle Lage beurteilt. Alle Vermögenswerte, die bestimmte Freigrenzen übersteigen, müssen aufgezehrt werden, bevor es Geld nach den Hartz-IV-Regelsätzen geben darf.
Für Lebensversicherungen gibt es eine günstigere Regelung. Der 57jährige dürfte 22800 Euro angespart haben und behalten, wenn die Hälfte dieses Betrages – 200 Euro je Lebensjahr – so angelegt ist, daß er erst bei Rentenbeginn an das Geld herankommt. Jetzt wollte das Arbeitsministerium Menschen wie diesem Ingenieur, die ihr Leben lang gearbeitet haben, etwas Gutes tun und die Freigrenze auf 250 Euro pro Lebensjahr heraufsetzen.
Nicht beachtet hatten die Gesetzesstrategen, daß das Versicherungsvertragsgesetz solche Festlegungen auf Rentenverwertung nur bis zu 200 Euro pro Lebensjahr zuläßt. Diese notwendige Gesetzesanpassung hatten die Gesetzesstrategen übersehen.
Das Ende vom Lied: Bestehende Lebensversicherungen sind vom 1. August an überhaupt nicht mehr geschützt. Betroffene wie der arbeitslose Ingenieur müssen dem Gesetz nach ihre Versicherungsverträge mit Verlusten vorzeitig kündigen, die Summen zum großen Teil aufbrauchen und im Alter dann auf Gott und Hartz IV vertrauen. |
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