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Kultur als Staatsziel

 
     
 
In dem voraussichtlichen Parla-ments-Kehraus des Deutschen Bundestages kommen auch die Ergebnisse der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" politisch unter die Räder. Sie hatte im Oktober 2003 ihre Arbeit aufgenommen, kritisch beäugt von den Bundesländern, die um ihre Zuständigkeiten fürchten. Die Kommission empfiehlt in einem Zwischenbericht die Aufnahme der Kultur als Staatsziel in das Grundgesetz.

Die Verfassung solle um einen neuen Artikel ergänzt werden: "Der Staat schützt und fördert die Kultur." Nur so könne das Selbstverständnis Deutschlands als Kulturstaat zum Ausdruck gebracht werden.

Die naheliegende Anregung von Sprachschützern aus dem engagierten Verein Deutsche Sprache e.V. (VDS), in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch die deutsche Sprache als den entscheidenden Ausdruck deutscher Kultur in das Grundgesetz aufzunehmen und unter den Schutz der Verfassung zu stellen, widersprach die Vorsitzende der Kommission, die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann, Juristin und in ihrer ersten Wahlperiode, mit der mehr als merkwürdigen Begründung, die Kommission sei "gemäß ihres Einsetzungsauftrages nicht für auswärtige Kulturpolitik zuständig". Die Abgeordnete führte aus, daß das Eintreten für die deutsche Sprache "nicht zuletzt in auswärtigen Angelegenheiten relevant" zu sein scheine, zum Beispiel in Bezug auf Deutsch als Amtssprache in der Europäischen Union
". Nun ist ganz gewiß die mangelhafte Stellung der deutschen Sprache in der Praxis der Europäischen Union (EU) ein Problem, das sich mit der sogenannten Europäischen Verfassung noch verschärfen würde, aber der entscheidende Angriff auf die deutsche Sprache erfolgt nicht im Ausland, sondern im Inland, und zwar unter anderem mit der Sprachzerstörung durch die Überhandnahme von Anglizismen, die nicht zuletzt von der öffentlichen Hand hingenommen oder gar betrieben wird.

Frau Connemann begründet ihre ablehnende Haltung zu den Anregungen der Sprachschützer überdies damit, daß das Bundesverfassungsgericht 1997 in der Frage der Rechtschreibreform geurteilt habe und danach "die Sprache dem Volk gehöre, vorstaatlich sei und vom Staat deshalb nicht hoheitlich angeordnet werden dürfe".

Wenn die Vorsitzende im Lexikon nachgeschlagen hätte, wäre sie darauf gestoßen, daß man unter der Kultur eines Volkes an erster Stelle seine Sprache und Literatur versteht, in der es seine Geschichte, Religion, Ethik, Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft und Rechtsprechung kommuniziert. Schade, daß dieser Aspekt der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" nicht aufgefallen ist und zudem nicht bemerkt wurde, in welchem Ausmaß die Muttersprache und die Gesamtheit der Nationalkultur in engstem Zusammenhang stehen und in einer Demokratie mit der Selbstbestimmung des Volkes eng verbunden sind.

Anders als aus dieser Kommission verlautet es zum Beispiel aus der sächsischen Staatskanzlei in Dresden. Bei ihr stießen die Vorstellungen des VDS zur Aufnahme eines Verweises auf die deutsche Sprache ins Grundgesetz auf "lebhaftes Interesse". Von dort hieß es: "Der Pflege der eigenen Muttersprache kommt zweifellos auch in einer Zeit globaler Vernetzung und wachsender internationaler Verflechtungen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu." Logisch, daß danach folgt: "Auch ihre Darlegungen zu Initiativen, einen Verweis auf die deutsche Sprache in das Grundgesetz aufzunehmen, haben Interesse gefunden." Auch eine mögliche Bundesratsinitiative wird aus Dresden angedeutet.

Aus anderen Kultusministerien kommt zögerliche Resonanz, statt dessen werden in den Schulen "Girls Days" organisiert und damit der Eindruck erweckt, grundsätzliches und konkretes Denken und Handeln zum Schutz der Sprache sei nicht angesagt. Es wäre verhängnisvoll, wenn ein Föderalismusgestrüpp, dessen Ergebnisse durch Pisa offengelegt worden sind,

den Sprachschutz in Deutschland blockieren würde. Genau das zu verhindern, wäre eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages mit dem hochtrabenden Titel "Kultur in Deutschland" berufen gewesen. Diese Chance scheint vertan zu sein. Bleibt die Hoffnung, daß sich das in Zukunft ändern wird.
 
     
     
 
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