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Barbaren tragen Calvin-Klein-Shorts und fahren einen Clio. Sie sind schön, trinken übermäßig Alkohol und konsumieren Drogen und arbeiten für internationale Beratungsunternehmen. Das Niveau ihrer Konversation ist bestürzend schlecht, aber dafür frönen sie der ungenierten Kopulation und lümmeln sich an der Cote d Azur. Dem jungen Autor Benjamin Berton verdanken wir ein meisterhaftes Sittengemälde junger "efficiency boys" und "efficiency girls" im modernen Frankreich. Das ist oft vergnüglich zu lesen, und manchmal stockt einem der Atem vor Ekel. Langweilig ist keine Zeile von "Am Pool". Es mag sein, daß sich mancher bei "OpenBC" oder einem anderen Karrierenetzwerk gelistete Wirtschafts berater in Eléonore Caribou, Julien Demailly, Serge Brunat oder Fabrice Aurousseau wiedererkennen wird. Der Autor hat als Anhang dankenswerterweise die stromlinienförmigen Lebensläufe seiner Protagonisten abgedruckt. Tilman Krause hat das Buch auf die Formel "Viel Geld, wenig Geist" gebracht. Die smarten Profiteure der Globalisierung können mit Literatur, Geschichte oder Politik wenig anfangen, mit Surfen, Segeln und Snowboards um so mehr.
Auf knapp 270 Seiten verfolgen wir das Schicksal von Eléonore Caribou, die zwar erfolgreiche Consultingfrau bei "Ernst & Young" ist, aber auch ganz dringend wieder einen Mann braucht. Vom Beruf total gestreßt, nimmt sie sich ein paar Tage Auszeit an der Cote d Azur, wo sie ihren Ex-Freund Julien in der Villa seiner Eltern besucht. Der steht zwar kurz vor der Ehe mit seiner neuen Eroberung, läßt sich aber noch gern von Eléonore verwöhnen, die trotz der durch ihren Epilator hervorgerufenen Schäden an ihrer Haut recht attraktiv ist. Die Hauptdarstellerin strebt zum Pool, da sie das Schicksal ihrer Kolleginnen warnend vor Augen hat: "Manche ihrer Freundinnen haben ihre Bedürfnisse so lange unterdrückt, daß sie frigide geworden sind, während ihre Nettoeinkünfte sich auf den Bausparkonten ansammelten."
Der Stil des Buches ist äußerst lapidar. Auch wenn wir nicht vor allem Französischen vor Andacht in die Knie gehen und uns unserer eigenen Unzulänglichkeit bewußt werden, so müssen wir doch konstatieren: Frankreich hat einen Benjamin Berton, und wir haben nur einen Florian Illies. Das ist die literarische Rache für den Frankreichfeldzug! Zugegeben, manche der geschilderten Personen sind etwas überzeichnete Pappkameraden. Doch gerade die Drastik der Sprache macht ungeheuren Spaß, egal, ob Berton sexuelle Exzesse, brutale Schlägereien zwischen französischen Rechtsextremisten und Arabern / Anarchisten oder irre Drogenerfahrungen beschreibt. Ist der Mann Moralist? Wahrscheinlich, aber einer mit einem bösen Blick. Unmoralisch ist nämlich vor allem das, was uns langweilt und beim Lesen Lebenszeit stiehlt.
Falls jemand bei "Roland Berger" oder "McKinsey" zu dem Buch greift, dann wird er sich spätestens an folgender Passage stoßen: "Der Unternehmensberater hört zu, macht sich Notizen, nimmt die Verhaltensweisen wahr und hört mit feinem Ohr die versteckten spitzen Bemerkungen der Direktionsmitarbeiter, dann formt er auch das alles um. Er tut das Gehörte in einen großen Mixer, verpackt es in eine wissenschaftlich wirkende Darstellung und konfrontiert seine Auftraggeber mit dem, wofür er engagiert wurde ... Jeder Dussel kann das machen, solange er ein Händchen für Powerpoint hat."
Die Leere des Berufslebens, wo Präsentationen über Videoprojektor den Unternehmensablauf bestimmen, überträgt sich auf das Privatleben. Und dies ist bei Berton noch mit einer Menge Gewalt und Sex angereichert. Wer wissen will, ob Eléonore Caribou am Ende den Traumprinzen oder zumindest einen neuen Bettgenossen gefunden hat, muß den zweiten Roman von Benjamin Berton unbedingt lesen. Und die mit der Lektüre fertig sind, warten ungeduldig auf das dritte Buch des 1974 geborenen Franzosen.
Benjamin Berton: "Am Pool", DuMont, Köln 2006, broschiert, 270 Seiten, 19 |
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