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Napoleon raubt die Quadriga

 
     
 
Einer der größten Kunsträuber der Geschichte ist Napoleon Bonaparte, der Kaiser der Franzosen. Nach der verlorenen Doppelschlacht von Jena und Auerstedt wurde auch Preußen sein Opfer.

Als Napoleon am 27. Oktober 1806 in die preußische Hauptstadt einzog, hatte er in seinem Gefolge Baron Dominique Vivant Denon, von Zeitgenossen nicht ohne Grund als "nôtre voleur à la Suite de la Grande Armée" bezeichnet, was soviel bedeutet wie "unser Dieb im Gefolge der Großen (französischen) Armee". Der "vielleicht bedeutendste Experte und die fleißigste, künstlerischste und höflichste Persönlichkeit in der Geschichte des Kunstraubes" (Wilhelm Treue) war Directeur général des Musées impériaux und trug Material zusammen für das Musée Napoléon in Paris, das entsprechend dem imperialen Anspruch Napoleons als "Weltmuseum" Kunstwerke aus aller Herren Länder enthalten sollte, was konkret hieß aus allen Ländern seines Herrschaftsbereiches, zu dem nun auch die Preußenhauptstadt gehörte.

Wenn der 59jährige Baron auch als gutmütig und gemütlich geschildert wird, so hinderte dies ihn doch nicht, seiner Aufgabe auch in Preußen nachzukommen. Am 5. November 1806 begann er in den Schlösser
n von Berlin und Charlottenburg auszuwählen, was an Gemälden, antiken Marmorfiguren und anderen Kostbarkeiten in Kisten verpackt und nach Paris verbracht werden solle. Am 10. November und bei zwei weiteren Besuchen machte er das gleiche in Potsdam und Sanssouci.

Drei Wochen nach Napoleons Einzug in Berlin suchte Denon Johann Gottfried Schadow in dessen Atelier auf und teilte ihm höflich, wie es seine Art war, mit, daß auch die von diesem entworfene Quadriga zu den Kunstwerken gehöre, die für die Verbringung nach Paris vorgesehen sei. Anschließend bat er den Meister nachdrücklich, ihm Namen und Anschrift des Potsdamer Kupferschmiedes Emanuel Jury mitzuteilen, der die Figurengruppe 13 Jahre zuvor gefertigt hatte und nun das Werk vom Brandenburger Tor herunterholen sollte.

Schadow reagierte auf das Vorhaben mit einer von ihm sowie Johann Christoph Frisch, Peter Ludwig Burnat und Friedrich Georg Weitschauch namens der Akademie der Künste unterschriebenen "Supplique à l Empereur", in der er darauf verwies, daß das Kunstwerk "Abnahme und Transport schwerlich aushalten" würde. Auch Friedrich Becherer fragte an, ob die "Quadriga nicht in Ruhe stehen bleiben" könne. Denon antwortete dem Hofbaurat, die Armee hätte von ihrem Kaiser des Werkes Abtransport gewünscht, um es auf den Triumphbogen zu setzen, durch den die Truppen bei der geplanten Siegesfeier in Paris ihren Einzug halten wollten. "Wenn endlich dies Werk auch nicht als ein Kunstwerk betrachtet werden sollte", so der Baron, "so könne und müsse es doch als Trophäe dienen und gelten."

Diese letzten Worte Denons sind durchaus bezeichnend, denn sein als Kind der Revolution unter ständigem Legitimationszwang stehender Kaiser hatte weniger Sinn für Kunst denn für politische Symbolik. Das hatte sich schon bei seinem Einzug in Berlin gezeigt. Napoleon hatte seine Truppen am 24. Oktober relativ unauffällig durch das Hallesche und Kottbusser Tor in die Stadt einrücken lassen, um dann selber drei Tage später als Triumphator mit seinen Paradetruppen um so demonstrativer durch das Brandenburger Tor in die Hauptstadt einzuziehen. Nachdem er in Potsdam noch die Annahme der ihm dargebotenen Schlüssel der Stadt verweigert hatte, ließ er sie sich nun in aller Öffentlichkeit feierlich überreichen. Der Franzose handelte nach dem Leitsatz: Man muß einem Volk seine Symbole nehmen, dann hat man es in der Hand.

Angesichts dieser Einstellung verwundert es nicht, daß ebenso wie die Eingabe des Hofbaurates auch die Bittschrift der Akademie der Künste erfolglos blieb. Schadow fügte sich und rückte die Anschrift wie gefordert heraus. Am 18. November wurde Jury in Potsdam abgeholt, und vom 2. bis 8. Dezember nahm er das Viergespann auseinander und holte es vom Tor herunter, wo es in einem Dutzend Kisten verpackt wurde.

Am 21. Dezember verließ das Kunstwerk und Symbol, gezogen von vier Pferden, Berlin. Am 17. Mai 1807 hieß es in der Pariser Presse: "In dem Hafen St. Nicolas sind 80 bis 100 große Verschläge angekommen, welche die Antiquitäten von Berlin und Potsdam wie auch den Wagen enthalten, den man auf dem Brandenburger Thore zu Berlin bewunderte. Früher waren schon 150 Kisten bei dem Musée Napoléon eingetroffen, welche die besten Gemälde von Hessen-Cassel und andere kostbare Gegenstände aus Braunschweig und Wolfenbüttel enthielten."

In Paris wurde das Siegessymbol erst einmal repariert. Zum einen waren die von Schadow befürchteten Transportschäden Wirklichkeit geworden; zum anderen hatte das napoleonische Frankreich mit dem Beutegut ja viel vor. Bevor jedoch die Beute einen französischen Triumphbogen hätte krönen können, marschierten die siegreichen Alliierten ins geschlagene Paris ein, wo sie die Siegesgöttinn samt ihrem Fahrzeug in einem Versteck aufstöberten und nach Hause schickten - doch das steht auf einem anderen Kalenderblatt (Zusammenfassung 14). M. R.

Napoleon als Pferdedieb: Anonyme Karrikatur

 
     
     
 
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