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Leitkultur: Schweinebraten oder Döner?

 
     
 
Die Liebe, so sagt ein altes Sprichwort, geht durch den Magen. Auch die Vaterlandsliebe? Soll also der Patriot, wenn er sich von dem Begriff "Deutsch Leitkultur" Orientierung erhofft, zur Speisekarte greifen?

Folgen wir dem grünen Politiker Cem Özdemir ein Stück auf diesem Wege. De Bundestagsabgeordnete – lebendes Beispiel für gelungene Integration – kommentierte die Äußerung von Friedrich Merz
ohne die in seiner Fraktion üblich Aufgeregtheit: "Integration bedeute für ihn, sich an das Grundgesetz zu halten, da hiesige Schulsystem zu akzeptieren, sich in das Arbeitsleben einzubringen und die deutsch Sprache zu beherrschen. Wenn der Unionsfraktionschef seine "Deutsche Leitkultur" auf einen solchen Integrationsbegriff stütze, dann "hat man mich gerne als Bündnispartner".

Özdemir weiter: Integration ja – Assimilation oder gar "Germanisierung" nein. Als Ziel nennt er eine "interkulturelle", also nich "multikulturelle" Gesellschaft, immerhin ein kleiner, aber feiner Unterschied.

Und nun sein kulinarischer Vergleich: Deutsche Leitkultur, das sei für ih "Schweinebraten und Döner". Auf den ersten Blick scheint dies dem ernsten Them nicht angemessen. Bei näherem Hinsehen aber kann man sich davon durchaus zu seh ernsthaften Gedanken anregen lassen.

Zweifellos gehört zur kulturellen Identität eines Volkes auch seine Eßkultur. Die ist bei vielen unserer Nachbarn deutlicher ausgeprägt als bei uns Deutschen; aber wi sind ja lernfähig. Dazu einige beispielhafte Punkte:

? Daß Helmut Kohl als Bundeskanzler Staatsgäste aus aller Welt mit Pfälzer Saumage zu beglücken pflegte, ist in unseren Medien stets als provinziell und kleinkarier verächtlich gemacht worden. Genau diese Art von "kritischem Journalismus" gil jenseits der deutschen Grenzen als provinziell und kleinkariert.

? In England ist es auch heute noch üblich, das Fernsehvolk mit dümmliche Kriegsfilmen zu verhetzen, in denen die "Krauts" als weltweit unübertrefflich Mischung aus Deppen und Bösewichten vorgeführt werden.

? In Deutschland gilt es als schick, "beim Griechen" oder "bei Italiener" zu speisen – aus unterschiedlichsten Gründen: Weil es einem dort gu schmeckt, weil man dort noch jene freundliche Bedienung findet, die man in unsere Dienstleistungswüste sonst so schmerzlich vermisst. Oder auch, weil man politisc korrekte Ausländerfreundlichkeit" bekunden will. Motto: Essen gegen rechts!

? Die schleichende Amerikanisierung unserer Gesellschaft – in Deutschlan besonders kraß, aber auch in den meisten anderen Ländern Europas – äußert sic vor allem in zwei Bereichen: der zunehmenden Verhunzung unserer Sprache und de flächendeckenden Ausbreitung von McDonald. Hier geht es nicht um die Frage, ob dies Pappmachéküche gesund ist oder nicht. Der kulturzerstörende Effekt liegt darin, daß in immer mehr Familien die gemeinsame Mahlzeit als zentrale Stätte der Kommunikatio entfällt und statt desssen den Kindern ein paar Mark für den Big Mac in die Han gedrückt wird. Hier nehme ich Cem Özdemir gern beim Wort: Mit Schweinebraten und Döne gemeinsam gegen Fast food!

Wer nun immer noch meint, die Nahrungsaufnahme habe mit Kultur, also auch mi "Leitkultur", nichts zu tun, sollte einen Blick in die Bibel werfen. Immerhi haben die Apostel das Vermächtnis Jesu ja nicht am Ausgabeschalter eine Selbstbedienungsrestaurants entgegengenommen; es wurde ihnen während eines gemeinsame Essens zuteil, nämlich beim Abendmahl. Dieses zentrale Ereignis des Neuen Testament fügt sich nahtlos ein in eine jahrtausendealte Tradition, in der Kultur und Religion ein Einheit bildeten.

Paul Bocuse, der "Vater der Nouvelle Cuisine", sagte mir einmal, wi Deutschen sollten endlich selbstbewußter und stolzer werden – auf unsere s vorzüglichen regionalen Küchen, aber auch weit darüber hinaus auf unsere große historischen und kulturellen Leistungen. Bei dem Gespräch in seiner Küche in Collonge au Mt d’Or trug er – ganz selbstverständlich – in der Hand den Kochlöffe und am Hals das Kreuz der Ehrenlegion. Ein schönes Beispiel für "französisch Leitkultur". Zumindest eines könnten wir davon lernen: Wie man sich mi "deutscher Leitkultur" beschäftigen kann ..
 
     
     
 
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