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Letzte Hoffnung: Europa

 
     
 
Für Viktor Juschtschenko, den Präsidenten der Ukraine, eine der Galionsfiguren der "Orangen Revolution" des Jahres 2004, wird die Luft immer dünner. Am 30. Januar trat sein letzter Verbündeter, nämlich der als entschieden prowestlich geltende Außenminister Boris Tarasjuk, zurück. Dem voraus ging ein monatelanges Tauziehen um sein Amt. Motor dieses Rücktritts war vor allem der prorussische Ministerpräsident Viktor Janukowitsch, der als erklärter Gegner von Juschtschenko gilt. Tarasjuk stand wie Juschtschenko für eine Annäherung der Ukraine an die Europäische Union
und die Nato. Nichtsdestoweniger versucht Juschtschenko weiter, die Westintegration quasi im Alleingang voranzutreiben. So erklärte Juschtschenko am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz am letzten Wochenende, daß sich die Ukraine um eine möglichst baldige EU- und Nato-Integration bemühen wolle. Und auf einer Pressekonferenz in Berlin unterstrich er: "Unser Ziel ist die Vollmitgliedschaft in der EU."

Das dürfte Juschtschenkos schärfster Konkurrent, Premierminister Janukowitsch, ganz anders sehen. Er gilt inzwischen als mächtigster Mann der Ukraine, und sein Wort hat deutlich mehr Gewicht als das von Juschtschenko. Dessen Ankündigungen stoßen derzeit selbst in der EU auf keine übermäßige Begeisterung. Die Ukraine, die flächenmäßig größer und so bevölkerungsstark wie Frankreich ist, gilt politisch als "kompliziert". Juschtschenkos Visionen fallen überdies in eine Zeit, in der die Stimmung stark gegen die Aufnahme weiterer Staaten in die EU gerichtet ist.

Janukowitsch führt seit seinem Amtsantritt im letzten Jahr eine Art Kalten Krieg gegen den Präsidenten und die Opposition, die von der schillernden Julia Timoschenko, der "zierlichen Frau mit dem großen Mundwerk" ("Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung"), angeführt wird. Ziel ist vor allem, die Machtbefugnisse des Präsidenten zurückzuschneiden. Janukowitsch will Einfluß auf die seit 1993 geltenden Grundsätze und Richtlinien für die Außen- und Sicherheitspolitik bekommen. Seinen Vorstellungen gemäß soll die Werchowna Rada, das ukrainische Parlament, die Befugnis erhalten, diese Richtlinien abzuändern.

Dabei kommen Janukowitsch vor allem seine guten Beziehungen zu Putin zugute. Er konnte einen Lieferpreis für russisches Erdgas vereinbaren, der deutlich unter dem liegt, was Polen oder andere EU-Staaten bezahlen müssen. Putin hat darüber hinaus zugesagt, auch eventuelle Lieferausfälle auszugleichen, die aus der Entwicklung in Turkmenistan resultieren könnten. Damit scheint die Energieversorgung der Ukraine auf absehbare Zeit gesichert, was die Position von Janukowitsch nicht unerheblich gestärkt haben dürfte. Wie lange dieser Energiefrieden anhält, ist allerdings unklar. Rußland arbeitet derzeit an einer neuen Energiestrategie, die auf eine Diversifizierung der Lieferwege abzielt. Diese Strategie hat zum Ziel, die Hauptpartner direkt zu beliefern. Die Ukraine, Polen, die Slowakei und Weißrußland werden, wie es der weißrussische Wirtschaftsexperte Leonid Saiko gegenüber "RIA Novosti" ausdrückte, mehr und mehr als "überflüssige Kettenglieder" gesehen, die "nur Sorgen" bereiteten.

Sorgen muß Juschtschenko vor allem die jüngste Gesetzesinitiative seines Gegners Janukowitsch bereiten, die der Präsident erst im letzten Moment wegen eines Formfehlers an die Rada zurückverweisen konnte. Inhalt dieser Initiative ist die Beschneidung der Vollmachten des Staatsoberhauptes zugunsten der Regierung. Juschtschenko konnte sich für den Moment Luft verschaffen, mehr aber auch nicht. Janukowitsch gelang es überdies, Julia Timoschenko miteinzuspannen. Daß es soweit kommen konnte, liegt vor allem an den Widersprüchen in der Opposition selbst. Der Graben zwischen den einst kooperierenden Parteien von Timoschenko und Juschtschenko hat sich mehr und mehr vertieft. Die Präsidentenpartei "Unsere Ukraine" will unter allen Umständen einen weiteren Machtverlust des Präsidenten verhindern. Deshalb will sie zum Beispiel die Verfassungsreform von 2004, mit der der Weg von der Präsidialrepublik zur parlamentarischen Regierungsform geebnet wurde, in Teilen wieder aufheben. Timoschenko will dem aber nur zustimmen, wenn Neuwahlen angesetzt werden. Die Präsidentenpartei weigert sich wohl vor allem aufgrund der sinkenden Popularität Juschtschenkos. Die Zwistigkeiten in der Opposition haben direkte Folgen für den Präsidenten: Es gelang ihm nicht, per Veto in den letzten Wochen wichtige Gesetzesvorhaben der Regierungsparteien zu stoppen, weil diese von Teilen der Opposition unterstützt wurden. Vor diesem Hintergrund erscheint es zweifelhaft, daß es Juschtschenko gelingen könnte, Janukowitschs Vorstöße zur Beschneidung der Befugnisse des Präsidentenamtes auf Dauer abzuweisen.

Foto: "Überflüssige Kettenglieder": Ukraine unter Juschtschenko (l.) ma
 
     
     
 
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