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Lieber Narr

 
     
 
"Der Erzchinese oder wie ein törichter Landedelmann am preußischen Hofe ein großer Herr wurde" lautet der umständliche Titel des durchaus amüsanten Romans von Andreas von Klewitz.

Der Held und Ich-Erzähler des Romans, Ulrich von Kuckwitz, wird als einziger Erbe eines Gutsbesitzers geboren. Schon früh merkt der Junge, daß er anders ist als andere. Sein Vater hat anfangs Hemmungen, wenn Besuch da ist, den Sohn vorzustellen. Auch ins Dorf darf der Junge lange Zeit nicht. Als die Eltern sich entschließen, Ulrich aus seiner Isolierung zu befreien, merkt er schnell, daß die Dorfkinder sich über ihn lustig machen. "Chinese" rufen sie dem adligen Jungen zu, der gar nicht weiß, was das soll.

Erst Stück für Stück offenbart der Autor seinem Leser, ohne es jedoch jemals direkt zu sagen, daß der kleine Ulrich am Down-Syndrom leidet. Dank des übergewichtigen und geduldigen Mitschüler
s Franz lernt Ulrich jedoch Lesen und Schreiben, und nachdem der Vater verstorben ist, bringt Franz den jungen Erben auf die Idee, das Dorf zu verlassen und nach Breslau zu ziehen, um dort zu studieren.

Nach einigen Zwischenfällen, die auf die Unbedarftheit der beiden Reisenden zurückzuführen sind, erreichen die Dörfler die Stadt, die direkt nach dem Siebenjährigen Krieg und dem nun endgültigen Herrschaftswechsel sich neu zu ordnen versucht.

Andreas von Klewitz gelingt es charmant, die Konfrontation des behinderten Jungen mit der Großstadt und dem Universitätsleben zu schildern, das allerdings nur eine kurze Rolle im Leben des Landedelmannes spielt. Dieser wird aufgrund einer tödlichen Erkrankung seiner Mutter zurück auf sein Gut gerufen. Nach dem Tod der Mutter erfährt der völlig überforderte Jüngling, daß sein Erbe aus Schulden besteht. Vergeblich versucht der sympathische Ulrich zu retten, was zu retten, ist und muß letztendlich mittellos zu seiner Tante nach Potsdam ziehen. Doch auch hier kommt die Waise nicht ohne Umwege an: Ulrich gelangt in die Hände polnischer Freiheitskämpfer.

Schreibstil und Thema von "Der Erzchinese" erinnern vermutlich nicht ganz unbegründet an Grimmelshausens "Simplicissimus", wobei die Geschichte um Ulrich von Kuckwitz gegenüber seinem literarischern Pendant in einer leichter zugänglichen Sprache abgefaßt ist.

Interessant sind auch die letzten Kapitel, in denen der behinderte junge Mann am preußischen Hofe durch Zufall den gestrengen Friedrich II. und kurz darauf seinen die Ausschweifungen liebenden Neffen und Thronfolger Friedrich Wilhelm II. in Amt und Würden erlebt. Die aus naiver Sichtweise geschilderten Erlebnisse offenbaren so manches bizarre Treiben bei Hofe, wo der "Chinese" am Ende durch sein "großes Herz" eine Intrige verhindert und so eine Anstellung bei Hofe erlangt.

Andreas von Klewitz: "Der Erzchinese oder wie ein törichter Landedelmann am preußischen Hofe ein großer Herr wurde", parthas literatur, Berlin 2005, geb., 272 Seiten, 24 Euro 5572
 
     
     
 
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