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Wenn die Bundesbürger demnächst zunehmend auf Plakate stoßen mit der Aufschrift "Jedes dritte Kind geht ohne Frühstück aus dem Haus", "Kinder sitzen pro Woche 17,5 Stunden vor dem Fernseher" oder "Mütter und Väter spielen mit ihren Kindern 10 Minuten pro Tag", dann ist das eine Folge der in diesem Monat angelaufenen Aktion "Mehr Zeit für Kinder", die von dem gleichnamigen Verein in Zusammenarbeit mit der CMA Central Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft und dem Fachverband Außenwerbung durchgeführt wird.
Die drei Motive "Keine Zeit fürs Frühstück", "Viel Zeit zum Fernsehen" und "Wenig Zeit zum Spielen" werden bis zum Beginn des nächsten Jahres auf 50 000 Großflächen- und 25 000 Litfaßsäulenplakaten sowie 30 000 sogenannten City-Light-Postern zu sehen sein. Der Fachverband Außenwerbung, dessen etwa 80 Mitgliedsunternehmen die Plakatstellen zu Selbstkostenpreisen zur Verfügung stellen, rechnet damit, daß 50,6 Millionen Personen ab 14 Jahren die Plakate zu sehen bekommen werden, und das insgesamt 2,5 Milliarden Mal.
Das Ziel der Kampagne, zu der es auch eine Broschüre mit dem Titel "Frühstücks-Gutscheine für Kinder und Eltern" gibt, ist neben "mehr Zeit für Kinder" im allgemeinen die Rückkehr zu einer gepflegten Eßkultur im Familienkreis.
Dieses Thema ist nicht ohne Aktualität in einer Zeit der Hektik, des Individualismus, der Familienfeindlichkeit und des sogenannten Fastfoods, wo sie, die Zeit, vornehmlich Geld ist. Eine gepflegte Eßkultur ist nämlich nicht nur gesund und ein Stück nationaler Kultur und damit auch identitätsstiftend für eine Nation, sondern bietet vielmehr auch günstige Bedingungen für soziale Kontakte und Kommunikation, und an denen mangelt es inzwischen auch in den Familien.
Gemäß den Untersuchungsergebnissen des die Kampagne "Mehr Zeit für Kinder" unterstützenden Familienforschers und Direktors des Staatsinstituts für Frühpädagogik in München, Prof. Dr. Wassilios E. Fthenakis, fänden wie in den USA auch in Deutschland Eltern und Kinder immer seltener die Zeit, gemeinsame Mahlzeiten einzunehmen. Kinder, die sich tagsüber selber versorgen müssen und in hohem Maße sich selber überlassen bleiben, zeigten jedoch ein geringeres Interesse an ihren Schulaufgaben, verfügten nur über eingeschränkte Möglichkeiten, ein soziales Netz aufzubauen, fühlten sich zurückgewiesen, entfremdeten sich von ihren Eltern, seien häufiger Opfer von Unfällen und neigten in einem höheren Ausmaß zu delinquenten Verhaltensweisen.
Spätestens hier dürfte auch dem letzten deutlich werden, daß "mehr Zeit für Kinder" kein Luxus für die nächste Generation, sondern eine Notwendigkeit für die gesamte Gesellschaft ist. D. Beutler
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