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Mehr als Glanz und Gloria

 
     
 
Die gewagte Glasarchitektur, die mit alten Gebäudeteilen ein gelungene Symbiose eingeht, fällt sofort ins Auge. Davor steht ein altes klotzig wirkendes Steilfeuergeschütz. Sollte etwa auch in de Dauerausstellung im historischen Körnermagazin wieder einmal alles, wa Preußen ausmacht, auf das Militärische reduziert werden? Doch de fragende Besucher möge beruhigt sein, denn "Preußen hat viel Gesichter, und hier wird gezeigt, was sich wirklich unter der Pickelhaub abspielte". Unter diesem Leitgedanken steht die Arbeit des Preußen-Museum
Nordrhein-Westfalen, das kürzlich in Wesel seine Pforten öffnete.

Allen Unkenrufen und dem Gezeter "politisch korrekter" Bedenkenträger zum Trotz ist das 30-Millionen-Mark-Projek fertiggeworden. Für Museumsdirektor Veit Veltzke und seine Mitarbeiter ist dies ein Grund, mit Stolz auf die schwierige Aufbauarbeit zurückzublicken In der heutigen Zeit muß jede kulturelle Einrichtung um die Gunst de Besucher werben, und so hat sich der Direktor etwas Besonderes einfalle lassen: Er läßt den Alten Fritz lebendig werden und hat eigens zur Eröffnun seines Museums ein Bühnenstück geschrieben, in dem Hans-Peter Minetti Sohn des großen Bernhard Minetti, den großen König verkörpert "Friedrich und Voltaire. Fast ein himmlisches Gespräch": Die Freigeister setzen sich im Vorhimmel über mancherlei Fragen auseinander so auch über die, warum es ausgerechnet am Rhein ein Museum über Preuße geben muß.

Der Besucher indes kennt die Antwort bereits. Denn Preußen hört nicht an der Elbe auf, und die Landschaften am Rhein und in Westfalen sin bis heute viel stärker durch ihre preußische Vergangenheit geprägt, als es allgemein bekannt ist. Preußen hat beide Gebiete zum ersten Male in ihrer Geschichte zu großen politischen Einheiten geformt und Fundament und Gemeinsamkeiten geschaffen, die dem politischen Zusammenschluß zu heutigen Bundesland Nordrhein-Westfalen den Boden bereiteten. Vom preußische Westen wiederum sind bedeutende Einflüsse auf Verfassung, Kultur Rechtsordnung, Wirtschaft und Verkehr Gesamtpreußens ausgegangen. Und die Darstellung der brandenburgisch-preußischen Geschichte in dieser Regio ist Aufgabe des neuen Museums. Dabei bildet die Frage nach de Wechselwirkungen zwischen den preußischen Westprovinzen und de Gesamtstaat, das Aufzeigen der oftmals schwierigen Integrationsprozesse die von verschiedenartigen politischen, sozialen, wirtschaftlichen un kulturellen Gegebenheiten ausgingen, die Leitlinie der Museumsarbeit.

Träger dieses Unikats in der deutschen Museumslandschaft ist ein Stiftung, in der das Land, die Kreise Minden-Lübbecke und Wesel, die Städt Minden und Wesel sowie die beiden Landschaftsverbände vertreten sind. Al Museumsbau dient das ehemalige Körnermagazin (Getreidedepot) der Wesele Festungszitadelle, das in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhundert errichtet und jetzt in jahrelanger Arbeit restauriert wurde. De Museumskomplex umfaßt 4240 Quadratmeter Nutzfläche auf dre Ausstellungsebenen, wovon 2000 Quadratmeter auf die Darstellung der preußische Geschichte entfallen. Der Rundgang beginnt gewissermaßen am Endpunkt de Geschichte des alten Preußen in der Abteilung "Die Stunde Null Zusammenbruch und Neubeginn 1945–47". Hier beginnt die Auseinandersetzung mit dem vorherrschenden Preußenbild. Es wird deutlich wie sehr es durch die Instrumentalisierung Preußens im Dritten Reich un die Zäsur 1945 geprägt ist. Um es über seinen Ursprung erschließen zu können, erfolgt dann ein Zeitsprung zurück in die Abteilun "Kleve-Mark wird brandenburgisch", der zum Niederrhein als europäische Kriegsgebiet führt. Daran schließen sich die Sequenzen "Preuße wird ein Königreich" und "Preußen – aber wo liegt es?" an. Hier werden gängige Preußenklischees aufgegriffen und die Besuche an Bewertungsprobleme der preußischen Geschichte herangeführt. De Rundgang wird für die Zeit nach 1713 fortgesetzt mit Beiträgen zu de Sachthemen "Staat, Regierung und Verwaltung", "Wirtschaf und Gesellschaft", "Kirchen- und Schulwesen", "Militä und Gesellschaft" sowie "Mensch, Militärtechnik, Krieg" Die Gliederung nach Sachbereichen eröffnet dem Besucher wahr Erlebniswelten und erlaubt ihm den gezielten Zugang zu Themen, die ih besonders interessieren. Den Abschluß des Rundganges bildet der Bereic "Das Ende Preußens 1918–1945". Damit befindet sich de Besucher chronologisch wieder am Ausgangspunkt des Rundganges.

In allen Abteilungen erlebt der Besucher Geschichte zum Anfassen, si wird für ihn erfahrbar, denn das Preußen-Museum setzt auf modernste Präsentationsmittel die den neuesten museumspädagogischen Erkenntnissen entsprechen und de Besucher an vergangene Realitäten heranführen sowie seine Eigenaktivitä herausfordern. Dies geschieht unter anderem durch audiovisuelle Medien aufwendige Dioramen, Figurinen und Nachbauten. In der Militärabteilun beispielsweise betritt er einen Schützengraben des Ersten Weltkrieges un kann durch ein Scherenfernrohr einen Blick auf ein Schlachtfeld werfen Die geisterhaft wirkende Szenerie wird von einer Tonbildschau mi Kommentaren und Augenzeugenberichten begleitet. In einer anderen Abteilun lädt ein begehbares Eisenbahnabteil aus der Mitte des vergangene Jahrhunderts zu einer Bahnfahrt per Monitor ein. An anderer Stelle warte ein Guckkasten aus der Biedermeierzeit mit einer Tonbildschau, die in die wechselvollen Schicksale und den geistigen Horizont einer klevesche Beamtenfamilie einführt. Ein aufwendig gestalteter Museumsführer biete einen informativen Leitfaden durch die Ausstellung und stellt ausgewählt Exponate vor, von denen einige sehr seltene Kostbarkeiten sind. Das Preußen-Museu hat eben weit mehr zu bieten als ein paar Pickelhauben und Monarchen in Öl.

Preußen-Museum Nordrhein-Westfalen, An der Zitadelle, 46483 Wesel, Öffnungszeite Di.–So. 10 bis 17 Uhr

 
     
     
 
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