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Rußlands 750-Jahr-Feier Königsbergs geriet schon vor ihrem Beginn zum hochaktuellen Politikum - nach der Verärgerung Rußlands durch Polen und Litauen droht nun die Retourkutsche nebst weiteren Streitigkeiten. Der deutsche Bundeskanzler kommt als Ehrengast, die unmittelbaren Nachbarn Litauen und Polen sind nicht eingeladen - es ist eine wahrhaft ungewöhnliche Feier, die Anfang dieses Monats in Königsberg stattfindet. Der Kanzler bekundet höchstens ein europäisches Interesse, die beiden Anrainerstaaten dagegen ein durchaus konkretes: Sie spekulieren auf die Abnabelung der Region Königsberg von Rußland und seiner lähmenden Bürokratie. Litauens Außenminister Antanas Valionis paßt nicht, das Gerhard Schröder erscheinen darf, er aber nicht. Zu wenig berücksichtige Deutschlands Führung die "historischen und politischen Sensibilitäten unserer Region", kam es gereizt aus Vilnius. Bereits von "demonstrativer Nichtbeachtung Litauens" bei den Feiern ist die Rede - ein Affront. Rußland verhandele schon mit Deutschland über einen Verkauf des Königsberger Gebiets, ließen litauische Kreise verlauten.
Doch es sind nicht die Deutschen, die Litauer und Polen an den Katzentisch verbannen. Nicht nur in Litauen kühlt das Verhältnis zu Rußland über diesen Sommer merklich ab - auch Polen zeigt sich zunehmend ungehalten angesichts des russischen Umgangs mit stalinistischen Verbrechen. Gerade für die offene Kritik bei den Siegesfeiern zum 8. Mai (Ende des Zweiten Weltkriegs) kassierten beide Staaten nun die Quittung aus Mos-kau. Litauen fürchtet zudem die energiepolitische Abhängigkeit von Rußland. Wegen der Transitbedingungen für Russen in Litauen sowie den Gütertarifen gibt es schon seit längerem Streit. Polen pflegt verstärkt seine Kontakte zu Rußlands Vorhof, der Ukraine, und unterstützt so gegen Moskaus Willen den EU-Kurs des Landes der orangenen Revolution.
Kein Wunder, daß der Bundeskanzler zögerte, sein Kommen offiziell zu bestätigen - offenbar hat er Polen und Litauer nicht zusätzlich reizen wollen, doch um den Tanz im politischen Minenfeld kommt er - schon um der Freundschaft zu Putin Willen - kaum herum. Der korrigierte immerhin schon Mal per Order aus Moskau den geschichtsklitternden offiziellen Titel der Feierlichkeiten: Nicht mehr "750 Jahre Kaliningrad", sondern "750 Jahre unsere Stadt" werden jetzt nach präsidialem Willen gefeiert. Die völlige Ausblendung der deutschen Vergangenheit der Stadt war - bei allem präsidialen Zorn - Putin wohl doch zu viel. S. Gutschmidt |
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