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Stünden Medienveröffentlichungen in Proportion zu den Besuchern am Tag der deutschen Heimatvertriebenen in Berlin, es wäre dann mit aller Wahrscheinlichkeit nur eine kleine Schar Getreuer zusammengekommen. Das Gegenteil war erfreulicherweise der Fall. Bis auf den letzten Stehplatz war das Innere des Doms gefüllt, wobei gleichzeitig dem Anliegen der Vertriebenen und dem 50jährigen Bestehen der Verfassung der Bundesrepublik gedacht wurde.
Die Besucher hatten denn auch nur kurzzeitig das Begrüßungszeremonie ll durch die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach (CDU), zu ertragen, denn unmittelbar danach verkündete sie eine Sensation in Gestalt einer Bitte an die erschienenen Honoratioren: "Sie alle bitte ich um Hilfe und Engagement dafür, daß Vertreibungsunrecht in Europa keine Heimatstatt mehr haben darf. Dafür wollen wir Heimatvertriebenen ein Zentrum gegen Vertreibung hier in Berlin schaffen."
Eines sei deutlich zu spüren: die Vertreibungen im Kosovo rüttelten die europäischen Staaten und ihre Menschen auf. Es sei daher seit Jahren überfällig, daß die deutsche Bundesregierung und die Regierungen der übrigen Staaten der EU von allen Beitrittskandidaten dezidiert die Trennung von Vertreibungsdekreten und die Heilung der Vertreibungsverbrechen als Bedingung einer Mitgliedschaft einforderten, sagte die Politikerin und fügte hinzu, niemand auf dem Balkan könne sich dann noch bei seinen schrecklichen "ethnischen Säuberungen" auf die Vertreibung der Deutschen als akzeptiertes Modell berufen.
Für die Bundesregierung war Innenminister Otto Schily (SPD) für den mit internationaler Diplomatie beschäftigten Kanzler Gerhard Schröder in den Berliner Dom gekommen. Er sorgte dann in seiner klugen Ansprache für die nächste Sensation des Tages. Der oft mit Anthroposophie in Zusammenhang gebrachte und dennoch immer als Edel-Linker bezeichnete Politiker räumte ein, daß eben diese Linke in der Vergangenheit aus den verschiedensten Gründen, vor allem aber aus politischer Opportunität über die Leiden der Heimatvertriebenen hinweggesehen hätte. Zwar ist diese Äußerung keine adäquate Schuldanerkenntnis für die zahllosen Schmähungen, mit denen das linke Lager die Vertriebenen in den letzten Jahrzehnten überschüttet hat, aber allein schon diese Äußerung veranlaßte BdV-Chefin Steinbach mit Recht von einer "epochalen Erklärung aus dem Munde eines SPD-Ministers" zu sprechen.
Übrigens auch Innenminister Schily wie die weiteren Redner der Veranstaltung, der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, sowie der derzeitige Präsident des Bundesrates, der hessische Ministerpräsident Roland Koch, befürworteten spontan das Vorhaben der Schaffung eines "Zentrums gegen Vertreibung". Gerechnet wird der CDU-Bundestagsabgeordneten zufolge mit Kosten von 100 200 Millionen Mark, die vor allem aus Spenden, aber auch aus staatlichen Mitteln kommen sollen. In fünf Jahren, so rechnet Erika Steinbach, könnten die ersten Besucher empfangen werden. Durchaus möglich wäre ein Standort in unmittelbarer Nähe des immer lebhafter werdenden Boulevards "Unter den Linden".
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