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Mit Strom 2103 Stundenkilometer schnell

 
     
 
Der Krieg ist der Vater aller Dinge", lautet eine Weisheit Heraklits. Es gibt allerdings Ausnahmen. So zeichnen sich einige große Feldherren der Kriegsgeschichte dadurch aus, daß sie Erfindungen der Friedenszeit für friedliche, zivile Zwecke im Kriege militärisch genutzt haben. Einer der bekanntesten von ihnen ist der preußische Generalstabschef Helmuth Graf von Moltke
. Ohne die Nutzung des Telegraphen für die Befehlsübermittlung und der Eisenbahn für den Truppentransport hätte er seine Strategie des vereinten Schlagens bei getrenntem Marschieren kaum zu solcher Blüte treiben können wie in den Einigungskriegen.

In der heimatlichen Etappe war es etwas anderes, aber nahe der Front und im Feindesland wollte man sich beim Truppentransport nicht auf zivile Bahnbedienstete verlassen. So wurde eine Eisenbahntruppe aufgebaut. Ihre Aufgabe lag - um es mit den Worten einer Denkschrift aus dem Jahre 1866 zu sagen - "a) in der Wiederherstellung zerstörter Eisenbahnstrecken resp. Neuanlage kurzer Verbindungsstrecken, auch Umgehung eingeschlossener Festungen, b) in Inbetriebsetzung dieser Strecken derart, daß sie den Linienkommissionen zur Benutzung für Militärtransporte übergeben werden könnten". 

Nach den im Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 gemachten guten Erfahrungen mit den maßgeblich aus eingezogenen Eisenbahnern bestehenden Feld-Eisenbahn-Abteilungen befahl der preußische König "die Formierung eines Eisenbahn-Bataillons aus geeigneten Mannschaften des aktiven Dienststandes der Infanterie und der Pioniere unter entsprechender Verwendung des in den Feld-Eisenbahn-Abteilungen vorhandenen Personals und Materials". Stationiert wurde dieses nun auch in Friedenszeiten stehende Bataillon in Berlin-Schöneberg.

Um ihre Aufgabe im Kriege, sprich den Bau und die Inbetriebnahme von Eisenbahnstrecken, zu üben, sollte die Truppe eine Bahnlinie bauen und befahren, die "Königliche Militär-Eisenbahn" (K.M.E.). Die Wahl fiel auf eine Streckenführung, für die eine sowohl militärische als auch zivile Nachfrage bestand. Die Strecke begann beim Quartier der Militäreisenbahner in Schöneberg und führte dann über Marienfelde, Mahlow, Rangsdorf, Zossen, Mellensee-Saalow, Rehagen / Klausdorf und Sperenberg zum Schießplatz Kummersdorf, wo der erste Bauabschnitt endete. Der zweite führte dann weiter über Schönefeld, Jänickendorf, Kolzenburg, Werder / Kloster Zinna zum Truppenübungsplatz Jüterbog. Diese Streckenführung erschien insofern sinnvoll, als hier einerseits Soldaten zwischen ihrem Quartier in Berlin und ihrem Übungsplatz vor den Toren der Stadt transportiert und andererseits die Produkte der Gipsfabriken und Ziegeleien im Raum Sperenberg und Klausdorf in die prosperierende und wachsende Hauptstadt gebracht werden konnten. Um eine zusätzliche Einnahmequelle zu gewinnen, stand die Nutzung der Bahn nämlich auch Zivilisten offen.

1874 wurde in Schöneberg mit dem Bau begonnen. Aus Gründen der Kostenersparnis verliefen die Gleise bis zum rund 30 Kilometer entfernten Zossen auf einem gemeinsamen Planum mit der Berlin-Dresdener Eisenbahn. Dort bog dann die Militärbahn Richtung Südosten ab. 1875 wurde die insgesamt 45,6 Kilometer lange Teilstrecke Schöneberg-Kummersdorf eröffnet. 1894 wurden die Arbeiten am 24,9 Kilometer langen zweiten Bauabschnitt zwischen Kummersdorf und Jüterbog begonnen, auf dem 1897 der Betrieb aufgenommen wurde.

Zu den Aufgaben der Eisenbahntruppe gehörte bis zu einem gewissen Grade auch die Erprobung. Dieses schloß Versuche mit strombetriebenen Schienenfahrzeugen ein, welche die Militäreisenbahn über den Kreis der Militärs bekannt machten. Die Tests erfolgten in Zusammenarbeit mit "Siemens & Halske" sowie der "Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft" (AEG), die je einen Schnelltriebwagen zur Verfügung stellten. Darüber hinaus sorgte AEG für die Energie, indem es die Einspeisung dreiphasigen Wechselstroms von 10000 Volt bei 45 bis 50 Perioden pro Sekunde von ihrem Elektrizitätswerk in Oberschöneweide durchführte, während "Siemens" für die dreipolige Fahrleitung auf der 23 Kilometer langen Teststrecke zwischen Marienfelde und Zossen verantwortlich zeichnete. Die Eisenbahntruppe trug zum Gelingen der Versuche dadurch bei, daß der Oberbau auf der Versuchsstrecke derart optimiert wurde, daß die sogenannte "Gummibahn" als eine der weltweit bestgepflegten ihrer Zeit galt. Derart gut vorbereitet, wurden Großversuche mit den Schnellbahnwagen durchgeführt, die am 28. Oktober 1903 mit dem Erreichen einer Rekordgeschwindigkeit von 210,3 Stundenkilometern ihren Höhepunkt fanden.

Der Erste Weltkrieg brachte das Ende der Militäreisenbahn in Raten. Ab 1915 hatte das Militär nicht mehr genügend Kapazitäten zum Betrieb der Eisenbahn und die zivile Eisenbahndirektion Halle übernahm diese Aufgabe. Das Versailler Diktat verlangte von den Deutschen den Verzicht auf Eisenbahntruppen einschließlich Ausbildungseinrichtungen. Die zivile Eisenbahndirektion Berlin übernahm deshalb die Bahn. Dadurch verliefen zwischen Berlin und Zossen nun zwei zivile Eisenbahnlinien nebeneinander. Dieser Streckenabschnitt der ehemaligen Militäreisenbahn wurde demontiert. 1996 wurde die Strecke Sperenberg-Jüterbog stillgelegt und 1998 schließlich auch noch das verbliebene Stück zwischen Sperenberg und Zossen. Seit 2000 stehen die Bahnanlagen unter Denkmalschutz, seit 2003 bietet ein Privatunternehmen auf dem verbliebenen Streckenrest Fahrten mit der Draisine an. Das ist alles, was von der "Königlichen Militär-Eisenbahn" geblieben ist.
 
     
     
 
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